Heute verbreitete das Berliner Inforadio eine Nachricht und eine Reportage, die beide eigentlich ganz gut zusammenpassen. In der Nachricht ging es darum, dass die Zahl der Todesfälle aufgrund falscher ärztlicher Behandlung um 30 Prozent zugenommen habe. In der Reportage schilderte eine 78-jährige, wie sie beim Staubsaugen plötzlich blaue Flecken bekam. Nach Überweisung in eine Spezialklinik beruhigte sie der Spezialist mit dem Hinweis, sie habe keine erbliche Gerinnungsschwäche.
Das Typische daran ist die Verliebtheit der Schulmediziner in ihre Begriffe und Verfahren, wobei der Patient und seine Heilung nebensächlich werden. Denn der 78-jährigen war mit dieser Erkenntnis wenig geholfen. Wenn man 78 Jahre auf dieser Erde verbracht hat, wird man wohl schon in Erfahrung gebracht haben, ob man unter einer erblichen Gerinnungsschwäche leidet – meist wird diese im Kindesalter entdeckt.
Ich erinnere mich noch an meine Besuche in einer orthopädischen Praxis – den Arzt bekam ich nur zu sehen, weil ich ein seltenes Knöchelchen im Knie hätte, er war davon ganz begeistert: „Das gibt’s nur bei einem von einer Million! Und dann noch in beiden Knien!“ Meiner Gesundung half das nicht. Jedenfalls nicht mehr, als es Ruhe und Schonung von selbst getan hätten.
Es gibt das Sprichwort, wonach eine Erkältung eine Woche dauere und wenn man zum Arzt ginge, nur 7 Tage. Da ist was Wahres dran. Meistens weiß der Patient selbst, was er braucht. Nur dass ihm der Arzt das nicht glaubt. Schließlich muss ja auch der ganze Geräte- und Kostenapparat legitimiert werden. Mit den meisten Krankheiten ist es wie mit Träumen, über die Siegmund Freud sagte, nur der Träumende selbst könne sie letztlich richtig interpretieren. Wenn die durchschnittliche Zeit für eine Anamnese je Patient allerdings nur 30 Sekunden beträgt, wird man nicht mehr als ein billiges Pauschalpaket erwarten können.
Natürlich gibt es auch ernsthafte Erkrankungen, ich werde die nützlichen Wirkungen z. B. von Antibiotika nicht bestreiten. Aber selbst bei ernsthaften Erkrankungen geht es in den allermeisten Fällen nur um Linderung der Symptome wie der Schmerzen. Ich schätze, dass die Schul- und Krankenhausmedizin nur in 15% aller Krankheiten heilt, ansonsten mit viel Aufwand kategorisiert und klassifiziert, vielleicht noch etwas gegen die Symptome verschreibt und darüber den Patienten, den Menschen, vergisst. Wenn man Glück hat, bekommt man tolle Ausdrucke von Reaktionskurven, Labordaten, tolle Röntgenbilder oder CT-Ergebnisse. Man hat xy! und z nicht! Die Erkrankung hat einen Namen, hurra. Aber wie wird man gesund? Hm, abwarten … oder ich schicke sie mal
Im Fall der o.g. 78-jährigen stellte sich heraus, dass sie regelmäßig Schmerzmittel (Acetylsalicylsäure = ASS) zu sich nimmt, welche bekanntlich die Blutgerinnung hemmen. Daher ja auch die jahrzehntelange Diskussion, ob man nicht zur Vorbeugung von Herzinfarkten täglich eine halbe ASS nehmen sollte, wovon man aber wieder abgekommen ist. Daher ja auch der Rat jedes Zahnarztes, dass man dieses Schmerzmittel nicht vor einer Behandlung nehmen sollte (es führt zu schwer zu stoppenden Blutungen). Man muss sich fragen, warum ein Hausarzt nicht weiß, was in jedem Beipackzettel steht. Vielleicht sollte man als Hausaufgabe allen Hausärzten mal die Lektüre aller Beipackzettel der Medikamente empfehlen, die sie ihren Patienten so verschreiben. Es erinnert an das schöne Bonmot, das mir ein Hausarzt einmal schmunzelnd zitierte: „Ärzte sind Leute, die Medikamente verschreiben, über die sie nichts wissen, gegen Krankheiten, die sie nicht beherrschen, für Menschen, die sie nicht kennen.“
Die gestiegene Zahl der Todesfälle nach medizinischer Behandlung wird u.a. mit dem gestiegenen kritischen Verständnis der Patienten erklärt. Man könnte lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Die Patienten sollen also lieber unkritisch sterben, das wäre (für die Mediziner) besser? Von mangelnder Hygiene ist die Rede und von Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantationen. Wie kann es in Krankenhäusern so dreckig sein, dass deswegen Menschen zu Tode kommen? Warum sind Abstoßungsreaktionen nach einer Transplantation „nicht kalkulierbar“? Warum hört man im Rundfunk keinen Arzt sagen, dass jeder Tote einer zu viel ist und dass alles dafür getan werden muss, Abstoßungsreaktionen besser zu erforschen und zu vermeiden? Stattdessen werden Einzelschicksale oft als subjektive und „nicht signifikante“ Ausnahmen ausgeblendet, für die es keine wissenschaftlichen Studienbelege gäbe. Mir fehlen hier völlig die Betroffenheit und die Leidenschaft zu heilen, worauf Ärzte doch den hypokratischen Eid ablegen. Studien mögen statistisch relevant sein, zu heilen ist aber immer der einzelne, individuelle Mensch.
796 Aufrufe – LDS: 16.02.2025
Beitragsbild: PublicDomainPictures @pixabay, 26.06.2021.