Am 11. April 1945 besetzte die 3. US-Panzerdivision Nordhausen. Die Soldaten erhielten aus der Bevölkerung Hinweise auf das Mittelwerk, sie waren über die unterirdische Produktionsstätte nicht informiert – anders als die Agenten der „Special Mission V2“ [1]. Als der Panzer-Kampfverband von Oberst John C. Welborn das Mittelwerk betrat, war Welborn „baff“: „Wir sahen eine phantastische Folge von Laboratorien und Werkstätten, modernen Arbeitshallen und Werkbänken. Die Szene erinnerte uns an die Unwirklichkeit eines utopischen Romans. In der Mitte des Labyrinths lag eine riesige Halle mit einer Taktstraße für die Raketenmontage. Hunderte elektrischer Glühbirnen verströmten gleißendes Licht.“ Oberst William Castillo wähnte sich in der Schatzhöhle Ali Babas. [2].
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Aufteilung Deutschlands bei Kriegsende (Blau: Vorübergehende amerikanische Besatzung in der späteren sowjetischen Zone). Klicken, um zu vergrößern.
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Abtransport einer deutschen V2 durch amerikanische Truppen 1945.
Die Agenten der „Special Mission V2“ unter Major Robert B. Staver fanden etliche fast abschussfertige V2 vor und jede Menge Bauteile wie Triebwerke. 341 Güterwaggons mit Teilen für etwa 100 Raketen wurden durch Major James P. Hamill (auf Befehl von Colonel Holger N. Toftoy) zwischen dem 21. und 31. Mai nach Antwerpen geschafft und von dort in 16 Schiffsladungen in die USA (über New Orleans nach White Sands) [3]. Großes Interesse zeigten die amerikanischen und britischen Kommissionen, US-Kongressabgeordnete [4], die das Mittelwerk besuchten, an der V2-Taktstraße, an den Strahltriebwerken BMW 003 und Jumo 004 sowie an den Flugabwehrraketen Wasserfall, Taifun und Hs 117 („Schmetterling“) [5]. Nach den Vereinbarungen, die die Alliierten in der European Advisory Commission getroffen hatten, hätten die USA Großbritannien die Hälfte ihrer Kriegsbeute überlassen und die Anlagen des Mittelwerks sogar unverändert der Sowjetunion übergeben müssen [6]. Stattdessen erhielten die Sowjets im Juli 1945 nur noch das Werk selbst mit den Maschinen und Versuchseinrichtungen und „weniger bedeutende“ Ingenieure, Angestellte und Facharbeiter sowie „gewaltige Mengen von Rohmaterial und Fertigteilen“ [7]. Selbst die Abnahmeabteilung (Stollen 41) war bis Ende Mai 1945 mit ihren „höchst empfindlichen, einmaligen Apparaturen“ vollständig ausgebaut und in die USA gebracht worden [8].
Die – nach Ansicht der Amerikaner – 400 wichtigsten Raketenentwickler wurden nach Kriegsende zunächst nach Peiting, dann in ein Sonderlager in Garmisch-Partenkirchen (Bayern) gebracht und wochenlang befragt. Schon in dieser Zeit „gaben Dornberger und von Braun eine einheitliche Sprachregelung vor“ [9]. ➥ Von Braun versuchte auf diese Weise, eine geschlossen auftretende Gruppe zu formen, die wichtige Informationen zurückhielt, um sich bei den Amerikanern unentbehrlich zu machen. Unter dem Druck, ansonsten von einer karrierefreundlichen Zukunft in den USA ausgeschlossen zu werden (und wohl auch, um nicht für Greuel im Mittelwerk und anderswo mitverantwortlich gemacht zu werden), beugten sich alle Peenemünder den Vorgaben [10].
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Gruppenfoto ohne Damen: Die Peenemünder in den USA.
Die Auswahl geht auf eine Nazi-Kartei von Prof. W. Osenberg (Institut der Wehrforschungsgemeinschaft) zurück, die zu 15.000 Wissenschaftlern und Ingenieuren neben der Qualifikation Daten zu „Familienverhältnissen, Beziehungen zu anderen Personen, wie Geliebte, und politische Einstellung und Zuverlässigkeit“ auflistete [11].
Mit der geheimen Übersiedlung von etwa 120 „wichtigsten“ Ingenieuren, Wissenschaftlern, Leitern und ihrer Familien in die USA (Operation Overcast) [12] war die Geschichte „Peenemündes“ nicht zuende. Die Deutschen hatten in Fort Bliss in der texanischen Wüste (nahe El Paso, Texas) zunächst die in die USA überstellten V2 zu restaurieren – und erhielten dafür 6 Dollar pro Tag. Ab März 1946 folgten im Zuge der Operation Paperclip 1.500 deutsche Techniker und Ingenieure plus Familen nach. Beim Tageslohn von 6 Dollar blieb es nicht lange: Nach 7 Jahren in den USA hatte jeder Peenemünder seinen eigenen Neuwagen und die meisten ein eigenes Haus [13].
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Erstes Foto der Erde aus dem Weltraum mit Hilfe einer erweiterten V2 am 24. Oktober 1946.
Die erste, in den USA gefertigte Nachkriegs-V2 startete hier am 16. April 1946 [14], bis September 1952 folgten 67 erfolgreiche Starts. Diese dienten vorwiegend ziviler Forschung [15] – im Fokus des Interesses standen der Aufbau der Ionosphäre, die kosmische Strahlung und das Sonnenspektrum. Aus den Startlisten geht hervor, dass die berühmte russische Hündin Laika 1957 bei weitem nicht das erste Erd-Lebewesen im Weltall war: Schon 10 Jahre zuvor, am 20. Februar 1947, wurden Roggen- und Baumwollsamen sowie Fruchtfliegen und am 14. Juni 1949 der Rhesusaffe „Albert II“ erfolgreich mit einer rekonstruierten V2 für kurze Zeit ins All (Höhe etwa 130 Kilometer) befördert [16]. Öffentliche Aufmerksamkeit erregten die ersten Fotos aus ca. 350 Kilometern Höhe auf die Erde (Foto oben rechts).
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Am 6. September 1947 gelang der Start einer V2 vom Flugzeugträger USS Midway aus.
Die Peenemünder waren schwer enttäuscht, dass die Raketenentwicklung in den USA zunächst anscheinend nicht im Mittelpunkt der Rüstung stand. Vorrangiges Ziel der Operationen Overcast und Paperclip war wohl eher, „der Sowjetunion […] Fachwissen vor[zu]enthalten“. Vorerst sahen die USA keine Notwendigkeit für eine forcierte Raketenentwicklung, man hatte ja die strategischen Fernbomber, die auch größere Atombomben über weite Entfernungen transportieren konnten [17]. Man hatte sich sozusagen ein Innovationsguthaben angelegt, denn die USA sparten später „Entwicklungskosten in dreistelliger Millionenhöhe“, indem sie das Fachwissen der Peenemünder für sich nutzten und spielten so die enormen Kosten für die Entwicklung der Atombombe (Manhattan-Projekt) teilweise wieder ein [18].
Wer aber meint, die deutschen Experten hätten nun in den USA vielleicht begonnen, ihre Vergangenheit selbstkritisch zu reflektieren, sieht sich getäuscht. Sie mussten sich nicht einmal groß umstellen und arbeiteten übergangslos an Raketen fürs Militär weiter [19]. Eigentlich waren sie US-Kriegsgefangene, führten sich aber auf, als hätten sie nur die Firma gewechselt, bestätigten das Vorurteil des arroganten, eingebildeten Deutschen: „Fort Bliss und White Sands sind mit den Peenemünder Einrichtungen überhaupt nicht zu vergleichen“ [20]. Und: „Die Peenemünder Mannschaft in den USA arbeitet an ihrem alten Werk, jetzt unterstützt von amerikanischen Offizieren und Technikern“. ➥ Arthur Rudolph hat in seinen Memoiren nach dem Krieg sowohl für Briten wie für Amerikaner negative Urteile übrig: Die Briten seien besserwisserisch und „zu kleinkariert“ [21], die Amerikaner in Fort Bliss seien ineffizient, nachlässig, hätten „null Ahnung“, seien dabei jedoch angeberisch und von „einspuriger Geisteshaltung“ bis zur Ignoranz [22]. Befremdet äußert sich Rudolph auch über die Konkurrenz zwischen Army und Navy, obwohl dies ja in Deutschland mit dem Wettstreit zwischen Armee und Luftwaffe ähnlich war. Von Beginn an betrachteten die Deutschen sich als Lehrmeister, „das Gefühl der Überlegenheit schlug oftmals in Überheblichkeit um“ [23].
Sie hatten es geschafft, die ersten großen, funktionsfähigen Flüssigkeitsraketen der Welt zu entwickeln – also mussten sie doch alles richtig gemacht haben? Sie bildeten auch 1950, nach dem plötzlichen Umzug am 1. April nach Huntsville (Alabama) [24], im hier neu geschaffenen Raketenforschungszentrum, wieder eine eingeschworene Gemeinschaft. Und wieder war von Braun der technische Direktor und man arbeitete für das Heer, wie man es von Peenemünde her gewohnt war. Auch in Huntsville war die gesamte Organisationsstruktur hierarchisch, nahezu feudalistisch, auf Wernher von Braun zugeschnitten [25]. Alle leitenden Posten besetzte von Braun mit Deutschen – eine Personalpolitik, die noch während des Saturnprogramms bis Ende der 70er Jahre fortgeführt wurde [26]. Doch Overcast und Paperclip waren für die USA nicht nur gewinnbringend: kleinere amerikanische Entwicklungsgruppen wie am Jet Propulsion Laboratory wurden durch die Deutschen verdrängt, die Aktivitäten der US-Army auf dem Gebiet der Raketentechnik „gerieten aus dem Gleichgewicht“ [27].
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Redstone bis Jupiter mit Mercury-Kapsel und Rettungsrakete im Größenvergleich (3,28 Foot = 1 Meter).
Huntsville erhielt unter den Deutschen den Spitznamen „Peenemünde-Süd“ [28] – schon darin zeigt sich das Fehlen von Distanz, Selbstzweifel und Verantwortungsbewusstsein für das, was unter ihrer Initiative und Mitwirkung im „Dritten Reich“ geschehen ist. Auch die „bewährte“ Marketing-Strategie ➥ Dornbergers setzte von Braun in den USA bruchlos fort: Mit Hinweis auf mögliche Entwicklungen in der UdSSR versuchte er diesmal, die US-Regierung von der Wichtigkeit militärischer Raketenentwicklung zu überzeugen.
Der Koreakrieg ab 1950 brachte eine Wende: die Militärausgaben der USA stiegen bis 1952 um fast das Doppelte [29]. Das Huntsville-Team allein hatte nun wieder 1.000 Mitarbeiter. Bis 1953 entstand unter Leitung von Brauns die erste einsatzfähige atomare Kurz- bis Mittelstreckenrakete der Welt, die PGM-11 Redstone (zunächst Hermes C-1 [30]), mit einer Reichweite von 320 – 800 Kilometern (je nach Gewicht des Sprengkopfs) [31], dann die gleichfalls atomar bestückte PGM-19 Jupiter und deren Varianten mit Reichweiten von 2410 Kilometern sowie Juno I und II. Der erste Start einer Redstone fand am 20. August 1953 statt [32], schon von Cape Canaveral [33], dem späteren Cape Kennedy. Verglichen mit dem im Windkanal geprüften, elegant geschwungenen Profil des Aggregats wirkte die Redstone optisch eher wie ein „fliegendes Rohr“.
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Von links nach rechts: Walter Dornberger 1962 (Chef der HVA, Beirat Mittelwerk, †1980), Arthur Rudolph (Techn. Direktor Mittelwerk, †1996), Hermann Oberth (†1989), Rudolf Nebel (†1978), Wernher von Braun (†1977).
Auch auf die Entwicklung von Flugabwehrraketen hatten die deutschen Ingenieure mit ihren Erfahrungen aus „Schmetterling“ bis „Feuerlilie“ Einfluss, z.B. bei der amerikanischen Flugabwehrrakete Nike-Zeus, mit der in Westdeutschland in den 60er Jahren ein ganzer „Abwehrgürtel“ geschaffen wurde [34]. Walter Dornberger diente der Air Force 1947-1950 als Berater in Raketensachen, dann dem Rüstungsunternehmen Bell Aircraft, dessen Vizepräsident und Chefwissenschaftler er von 1959-1965 war [35]. Arthur Rudolph half bei der Weiterentwicklung der V1 („Ramjet“), die zur späteren Major-Rakete führte [36] und wirkte als Projektmanager maßgeblich an der berüchtigten Pershing mit, deren Stationierung in Deutschland entscheidend zur Friedensbewegung der 80er Jahre beitrug (Nato-Doppelbeschluss). ➥ Hermann Oberth, der zeitweise in die NPD eingetreten war, versuchte sich 1950-1953 in Italien vergeblich an der Entwicklung einer Flugabwehrrakete [37], war von 1955 bis 1958 in Huntsville im von-Braun-Team tätig, und auch ➥ Rudolf Nebel mischte nach seiner Episode im Mittelwerk wieder mit [38] – allerdings auf der anderen Seite des „Eisernen Vorhangs“, zwei Jahre lang für die Sowjetunion [39]. Eine führende Rolle bei der V2-Rekonstruktion für die Sowjetunion übernahm Helmut Gröttrup (siehe unten ausführlich). Außerhalb der Raketenentwicklung machte der jüngere Bruder Wernher von Brauns in den USA Karriere: Magnus von Braun wurde Direktor der Chrysler-Werke in Detroit [40]. Das Peenemünder Team war in Ost und West faktisch entscheidend am „Gleichgewicht des Schreckens“ während des Kalten Krieges beteiligt, Wernher von Braun machte sich in dieser Phase „zu einem Advokaten des Wettrüstens“ [41].
In einer Artikelserie in Collier’s Weekly [42] propagierte von Braun 1952-1954 ohne Skrupel die militärische Nutzung des Weltraums: „Kleine geflügelte Raketengeschosse mit Atomsprengköpfen könnten von der Station so abgefeuert werden, dass sie ihre Ziele mit Überschallgeschwindigkeit erreichen.“ Er stellte sich ein „riesiges bemanntes Rad“ vor, als „endgültige Waffe“ [43]. Durch einen Präventivschlag ließe sich ein 3. Weltkrieg verhindern: „Wir hoffen, dass ihr Einsatz sich erübrigen wird, aber wenn es zum Schlimmsten kommt, dann soll sich zum maximalen Abschreckungseffekt ein Höchstmaß an Zerstörungswirkung gesellen“ [44]. Was hier so gesellig klingt, hätte das Ende der zivilisierten Welt einläuten können.
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Szene aus dem Film „Die Eroberung des Weltalls“ 1955. Am Drehbuch wirkten Wernher von Braun und Willy Ley mit.
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Die ISS im Jahr 2022.
Zur Verbreitung seiner Ideen nutzte von Braun den Trivialautor Franz Ludwig Neher, der im „Dritten Reich“ von Nazi-Propaganda in Groschenheften gelebt hatte [45]. Die Vorstellung einer mächtigen Raumstation, die ohne demokratische Kontrolle im Interesse der Menschheit alles regelt, hatte von Braun schon als 17-jähriger in einem Schulaufsatz formuliert [46]. Dies hier war die Neuauflage eines Erwachsenen, angepasst an die Lage im Kalten Krieg.
Die Peenemünder versuchten unter den amerikanischen Militärs „eine Angstpsychose auszulösen“, um ihre eigenen Pläne schneller umsetzen zu können [47]. So gesehen schütteten sie beständig Öl ins Feuer des Kalten Krieges. Mehr oder minder erfolgreich, denn noch 1957 formulierte Präsident Eisenhower vor dem Sputnik-Start weise: „Was die Welt heute weit mehr benötigt als einen gigantischen Sprung in den Weltraum, ist ein gigantischer Schritt in Richtung Frieden“ [48]. Bis in die 60er Jahre blieben die Peenemünder bei ihrer militärischen Rechtfertigungsstrategie für die Raketenentwicklung, mit der sie schon im „Dritten Reich“ erfolgreich gewesen waren. Steter Tropfen höhlt den Stein: Dieter Huzel konstatierte später rückblickend: „Wir waren wieder im Geschäft“ [49].
Bemerkenswerterweise war die vielzitierte Redstone, die in Deutschland ab 1958 atomar bewaffnet stationiert wurde, nicht sehr zuverlässig – bis zum letzten Start am 30. November 1965 gab es 56 Countdowns der Serienversion, davon 28 Fehlstarts [50]. Auch die Jupiter, von der bis 1963 15 in der Türkei stationiert wurden, war da nicht viel besser [51]. Obwohl die Ex-Peenemünder so stolz auf ihr Werk und ihre Erfahrung waren, war auf Dauer durchschnittlich jeder zweite Versuch also ein teurer „Schuss in den Ofen“.
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Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski 1924 († 1935).
Dank Konstantin Ziolkowski – quasi dem sowjetischen Gegenstück zu Hermann Oberth – hatte die Raketeneuphorie auch in Russland eine lange Tradition. In dem 1921 von der russischen Militärbehörde gegründeten „Labor für Rückstoßprobleme“ wurden die Forschungen vorangetrieben, jedoch nicht mit dem Ziel, Raketen ins All zu schießen. Die militärische Nutzung stand von Anfang an außer Frage. Ziolkowski sah das etwas anders: In einer Rede auf dem Roten Platz in Moskau schwärmte er am 1. Mai 1933 von Reisen zum Mond und Mars – was von Braun damals umgehend nutzte, um beim Militär Druck zu machen [52].
Die militärische Raketenentwicklung wurde in der UdSSR 1933-1945 nicht mit gleichem Aufwand betrieben wie im Nazi-Deutschland dieser Zeit. Aber seit 1943 wusste Stalin von der deutschen Raketenentwicklung. Man erhielt Spionageberichte und konzentrierte eigene Raketenfachleute [53]. Im August 1944 besetzten russische Truppen das deutsche SS-Raketentestgelände Blizna/Heidelager [54] und konnten einige Raketenteile sicherstellen, darunter ein komplettes Triebwerk, das die russischen Experten in Erstaunen versetzte [55]. Vergleichbar zur „Special Mission V2“ der Amerikaner stellten die Russen drei Expertenteams zusammen. Eines von ihnen untersuchte Anfang Mai 1945 bereits die HVA Peenemünde bzw. das, was dort übrig gelassen worden war: immerhin u.a. 150 Brennkammern (!), Einzelteile von Funksteuerungsanlagen, Graphitrudersätze. Vor Ort gebliebene deutsche Techniker bauten aus zusammengetragenen Einzelteilen bis Juli 1945 eine komplette erste V2 zusammen, die umgehend an das „Volkskommissariat für Munition“ überstellt wurde [56]. Der Prüfstand 9 wurde in Peenemünde wieder instand gesetzt. Wissenschaftliche Dokumentationen, Konstruktionszeichnungen, Produktionsunterlagen wurden in Polen, der Tschechoslowakei und Österreich gesucht und gefunden [57].
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Der sowjetische Raketenkonstrukteur Sergei Pawlowitsch Koroljow († 1966).
Der später als „Vater der sowjetischen Raumfahrt“ bekannt gewordene Sergei Pawlowitsch Koroljow (rechts) fasste den deutschen Entwicklungsstand später in 13 Bänden zusammen [58], darunter auch Informationen zur Flugabwehrrakete „Wasserfall“, „Rheintochter“, „Schmetterling“ und „Taifun“ (➥ Weitere deutsche Raketenentwicklungen 1943-1945). Die Sowjetunion brachte sich somit trotz anfänglichem Rückstand sehr schnell in Besitz der deutschen Raketentechnik [59].
Am 1. Juli wurde das Mittelwerk besetzt. Auch hier halfen verbliebene deutsche Techniker: Aus den vorgefundenen Teilen wie 75 Brennkammern, mehreren hundert Turbopumpen, Treibstoffbehältern, Rumpfschalen und Heckteilen könne man 10-20 Raketen bauen, sicherten diese den Sowjets zu. Die Produktion im Mittelwerk wurde in kleinerem Maßstab wieder aufgenommen und Mitte August waren die ersten drei Raketen fertig montiert. In weiteren Produktions- und Testanlagen in Thüringen wurden Äthylalkohol (50 t) und tonnenweise Labor- und Messeinrichtungen der HVA sowie in Zulieferfirmen Bauteile „für viele Hunderte von halbfertigen V2-Raketen“ sichergestellt [60]. Eine Sauerstofffabrik in Lehesten wurde wieder in Betrieb genommen [61]. Während die USA noch mit dem Umzug der von-Braun-Truppe beschäftigt war, nahmen die Fachleute der UdSSR schon am 15. Juli 1945 wieder einen erfolgreichen Triebwerkstest vor – man sollte „weniger wichtige“ Mitarbeiter niemals unterschätzen.
Kurz darauf wurde in Nordhausen-Bleicherode das „Zentralwerk“ als sowjetische Aktiengesellschaft gegründet. Bis Frühjahr 1946 wurden mehr als 600 ehemalige Peenemünder Ingenieure und Techniker (auch in den Westzonen!) ausfindig gemacht mit dem Ziel, die V2 zunächst in Deutschland unter sowjetischer militärischer Leitung, an den ehemaligen Produktionsstätten [62], nachzubauen und die Konstruktionsunterlagen neu anzufertigen [63]. Sie erhielten lukrative Stellenangebote [64], beste Arbeits- und Lebensbedingungen, steuerfreie hohe Gehälter, üppige Verpflegung, eigene Häuser. Hier fragte keiner nach Schuld und Kriegsverbrechen, stattdessen winkten „goldene Berge“.
Die Militärs bekamen aus Moskau mehr Unterstützung für die Raketenentwicklung als Dornberger in der Nazi-Zeit. Die Raketen-Sonderkommission erhielt „unbegrenzte Vollmachten“; für zwei Millionen Dollar wurden sogar Forschungsausrüstungen in den USA gekauft [65]. Zum Zentrum der Entwicklung wurde sukzessive das ehemalige Reparaturwerk der Mittelwerk GmbH am Kalibergwerk Kleinbodungen, wohingegen die Serienproduktion in den Kohnstein-Stollen „ausgeschlachtet“ wurde. Im Sommer 1946 arbeiteten im Zentralwerk 6.000 – 7.000 Fachkräfte [66]. Die erste „sowjetische V2“ wurde im März 1946 fertig [67], auch in Peenemünde reaktivierte man die Prüfstände vollständig im Sommer 1946.
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Helmut Gröttrup 1977 († 1981).
Die Leitung des Zentralwerks übernahm der schon erwähnte Elektrik- und Steuerungs-Spezialist Helmut Gröttrup, dem der Nazi-SD 1944 Nähe zum „Edelkommunismus“ unterstellt hatte und der 1967 die Chipkarte erfand, gemeinsam mit Sergei Pawlowitsch Koroljow und General Lew Michailowitsch Gaidukow. Koroljow war das sowjetische Gegenstück zu Wernher von Braun in den USA, Gaidukow sozusagen der sowjetische Dornberger der 30er Jahre.
Gröttrup war eigentlich in der amerikanischen Zone (Witzenhausen) gemeinsam mit anderen ehemaligen Peenemündern interniert. Üppige Versprechungen überzeugten ihn zum Wechsel in die Sowjetzone. Er bekam für sich und seine Familie eine große Villa und ein Gut im Nachbarort Trebra plus Dienstboten [68] und wurde als Generaldirektor – inklusive entsprechendem Salär – angestellt. Seine Frau erhielt ein Reitpferd. Von Anfang an gingen die Sowjets deutlich zielstrebiger und ehrgeiziger an die Nachkriegs-Raketenentwicklung heran als die Westalliierten, weshalb die Sowjets die Weltöffentlichkeit 1957 schließlich mit dem ersten Satelliten „Sputnik“ überraschen konnten. Schon im März 1946 fiel in Moskau die Entscheidung, Mittelstrecken- und Interkontinentalraketen zu entwickeln [69]. Zu den Motiven für diese Zielstrebigkeit mag der „Atombombenschock“ zum Ende des 2. Weltkriegs zählen, die Sowjetunion investierte nach dem Krieg erhebliche Mittel in die Rüstungsforschung [70], während sich die USA auf ihrem vermeintlichen Vorsprung „ausruhten“ und erst einmal noch in Ruhe 14 Tonnen deutsche Dokumente sichteten [71].
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Die Insel Gorodomlja, Karte gezeichnet von den deutschen Bewohnern. Die Ingenieure und Techniker lebten hier zwischen 1946 und 1953 isoliert und mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit.
Nach der „Umarmungsphase“ im Thüringer Zentralwerk, in der die Peenemünder Ingenieure ihr Knowhow mit der wachsenden Zahl russischer Ingenieure teilten, wurden 150 deutsche Ingenieure am Morgen des 22. Oktober 1946 nach einem feucht-fröhlichen Empfang und wenig später fast 2.000 andere Spezialisten mit Familien und gesamtem Hab und Gut gewaltsam aus der SBZ in die Sowjetunion „umgezogen“ [72]. Es handelte sich um eine Zwangsumsiedlung, doch wären die führenden Ingenieure auch freiwillig mitgegangen [73]. Man erhoffte sich Karriere, Wertschätzung, Lebenssinn in einer gewohnt militärisch geprägten Arbeitsatmosphäre. Gröttrup und einige andere leitende Fachleute bezogen „relativ großzügige Unterkünfte“ nahe Moskau, die Mehrheit der Ingenieure bezog Quartier auf der Insel Gorodomlja im Seligersee zwischen Moskau und St. Petersburg, das Zentralwerk wurde aufgelöst.
Die sowjetischen Besatzungsbehörden versuchten 1946/47, die unterirdischen Produktionsanlagen im Kohnstein zu sprengen, dies gelang aber nur teilweise [74]. Auch das Lager Dora, das nach dem Krieg zunächst als Umsiedlerlager diente, wurde bis 1952 weitgehend demontiert. Der wieder aufgenommenen Anhydridproduktion fiel noch in den 1970er Jahren die Anlage B11 zum Opfer, bei deren Bau zahllose Häftlinge ihr Leben gelassen hatten [75]. Gesprengt wurden auch andere Anlagen, z.B. im Oertelsbruch [76]. An einer praktischen Dokumentation der Unmenschlichkeit hatte die Sowjetunion offensichtlich kein Interesse, betrieb man doch selbst schon seit den 20er Jahren eigene brutale Lager, den Gulag. Das galt entsprechend für den Vasallen DDR. Offizielle Gedenktafeln und monumentale Denkmäler reduzierten oft auf die „Helden“ des kommunistischen Widerstands, deren Rolle heute differenzierter bewertet wird [77]. Erst am 13. Dezember 1990 wurde die Stollenanlage im Kohnstein unter Denkmalschutz gestellt und in die Gedenkstätte einbezogen [78].
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Denkmal mit R1-Model nahe dem Raketentestgelände Kapustin Jar. Die Rakete war optisch fast identisch mit dem A4.
Am 18. Oktober 1947 wurde die erste von 12 rekonstruierten V2 vom Testgelände Kapustin Jar bei Stalingrad erfolgreich gestartet [79]. Anders als in den USA wurden die Deutschen in der Sowjetunion allerdings nicht dauerhaft in die Raketenentwicklung integriert. Jedem deutschen Fachmann wurden sowjetische Wissenschaftler und Ingenieure beigeordnet. Das Ziel war eindeutig, sowjetischen Kadern das deutsche Knowhow beizubringen [80]. Das Wissen der Peenemünder wurde „gemolken“ und nach einer Phase des Ratgebens und Herausdrängens ab 1947 wurden sie zwischen 1951 bis 1953 in die DDR abgeschoben [81], viele von ihnen flohen in die BRD, wo sie sogleich von der CIA „befragt“ wurden. Die Karrieren der meisten Peenemünder in der UdSSR waren damit schon 6-8 Jahre nach dem Krieg beendet.
Mit dem Bau der R1 wurde im März 1948 begonnen, ohne dass die deutschen Berater davon wussten [82]. Es handelte sich zunächst um eine ausschließlich mit russischen Bauteilen gefertigte V2, deren Konstruktion vereinfacht worden war. Dies lag weniger am Wunsch der Ingenieure sondern eher am Mangel an Spezialwerkstoffen in der UdSSR. Die erste R1 04 startete am 17. September 1948 [83], schlug nur 11 Kilometer vom Startplatz ein. Erst ein Jahr später folgten die ersten erfolgreichen Abschüsse, nun aber bereits mit abtrennbarem Gefechtskopf. In der Sowjetunion wurden die neu gegründeten Raketentruppen nun systematisch mit der R1 ausgerüstet [84].
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Start einer Semjorka am 18. Oktober 2003 mit einem Sojus TMA-3-Modul.
Die „Beratung“ durch die Deutschen führte also zu den V2-Nachfolgern R1 und R2 (Reichweite ca. 500 km, mit trennbarem Gefechtskopf), u.a. R7 und R7A. Mit dieser ersten Interkontinentalrakete der Welt (Семёрка Semjorka „die Sieben“) wurde später Sputnik I in die Umlaufbahn geschossen. Die ab 1953 eingesetzte R7 – im Westen SS-6 genannt – gehörte zu den zuverlässigsten und am meisten verwendeten Trägerraketen in der Raumfahrt. Anders als die mit ein wenig Größenwahn behaftete US-Rakete Saturn V war sie ein „Arbeitstier“ und mit vielen Weiterentwicklungen bis 2010 im Einsatz [85].
Großbritannien plante im Sommer 1945 eine eigene Raketenproduktion. Von Altenwalde bei Cuxhaven aus – dem ehemaligen Kruppschen Marineartillerie-Schießplatz und heutigen Wernerwald – sollten zunächst 30 Raketenstarts erfolgen [86]. Der britische Geheimdienst versuchte also, in seinem Besatzungsgebiet Bauteile von V2 aufzutreiben, war dabei aber nur mäßig erfolgreich. Zur Rekonstruktion fehlte wichtige Technik, die den Briten gnädigerweise von den USA zur Verfügung gestellt wurden [87]. Am Ende kamen Teile für 8-16 Raketen zusammen, doch es fehlten Fachleute. Im Zuge dieser Operation Backfire (Frühzündung) wurden schließlich zwischen dem 2. und 15. Oktober 1945 drei V2 mehr oder minder erfolgreich Richtung Dänemark verschossen, mit Hilfe deutscher Kriegsgefangener aus den Einsatzteams und 85 Peenemünder Ingenieuren [88]. Beim dritten Start waren amerikanische, sowjetische und französische Alliierten-Vertreter anwesend.
12 Peenemünder aus Garmisch waren den Briten für die Operation Backfire bis Ende Oktober 1945 zur Beratung ausgeliehen worden [94]. Sie hatten die nach und nach eintreffenden V2-Teile repariert und zusammengebaut, aber nach dem ersten Start übernahmen die Briten den Rest [95]. Unter den „Ausgeliehenen“ waren u.a. Dieter Huzel, Arthur Rudolph und ➥ Kurt Debus [89], die später in den USA Karriere machten.
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Britischer Dokumentarfilm der V2-Abschüsse von Cuxhaven im Oktober 1945 im Zusammenhang mit der Operation Backfire.
Dank trickreicher Vernehmung hatten die Amerikaner tonnenweise V2-Akten sicherstellen können, welche Huzel gegen Kriegsende in der „Georg-Friedrich-Grube“ bei Dörnten heimlich eingebunkert hatte (➥ Raketen aus Peenemünde III: Serienproduktion des Todes, Abschnitt „Häftlingsgreuel und Absetzbewegungen“). Dörnten lag nun eindeutig in der britischen Besatzungszone. Auch in der französischen Besatzungszone (Hechingen) „bedienten“ sich die Amerikaner [90]. Als freundliche Geste gestattete man den Briten im Gegenzug schließlich, Wernher von Braun, ➥ Eberhard Rees, Ernst Steinhoff, Walter Dornberger und Herbert Axster im August 1945 für mehrtägige Verhöre nach London zu fliegen. Angeblich versuchten die Briten, diese sechs für die eigene Raketenentwicklung zu gewinnen, doch erfolglos [91]. General Dornberger, der sich mehrfach bei Hitler für den V2-Beschuss Londons stark gemacht hatte, wurde vergeblich zum Verbleib von General ➥ Kammler befragt und blieb für zwei Jahre in London inhaftiert im „District Cage“ [92], später in einem Schloss in Wales. Einem Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg, mit Aussicht auf Todesstrafe wegen Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung, entging er wohl nur, weil er zu den „Auserwählten“ der Aktion Paperclip gehörte. Außerdem verlor die USA nach dem Abwurf zweier Atombomben auf die Zivilbevölkerung von Hiroshima und Nagasaki selbst an Elan, Anklagen wegen Kriegsverbrechen gegen Deutsche voranzutreiben [93]. Anfang 1946 wurde die Anklage stillschweigend fallengelassen, im Juli 1947 wurde Dornberger den Amerikanern „zurückgegeben“.
Die Operation Backfire sollte dazu dienen, sowohl die Konstruktion der V2 als auch das Abschuss-Prozedere eingehend zu dokumentieren. Das aufwendige Abschuss-Verfahren wurde nachgestellt und dokumentiert (siehe Video). Diejenigen Deutschen, die quasi schon das Flugticket in die USA in der Tasche hatten, machten sich über die Akribie der Briten lustig. Huzel: Die Berichte seien „umfassender als alles gewesen, was in deutschen Akten enthalten war“ [96]. Und verspürten – wie Rudolph schildert – Schadenfreude, als es ohne ihre Unterstützung zunächst nicht so richtig funktionierte [97].
Dass sie schuld waren an den fast 9.000 britischen V2-Opfern beeindruckte sie nicht. Kein Wunder also, dass die öffentliche Meinung in Großbritannien gegen die Übersiedlung deutscher Konstrukteure, Ingenieure und Militärs Sturm lief. Eine Erfahrung aus der Operation Backfire war zudem, dass der Umgang mit dem „fliegenden Laboratorium“ V2 alles andere als „easy“ war. Zum Abschuss der V2 reichte zwar ein gerade stehender Starttisch aus – die Vorbereitungen wie der Transport zum Startplatz, das Aufrichten, die Betankung und Zielausrichtung der Rakete waren aber aufwändig und von nicht geschultem Personal kaum zu leisten [98].
Die negativen Erfahrungen aus der Operation Backfire trugen neben Kostengründen dazu bei, dass Großbritannien auf eine eigene Raketenentwicklung im wesentlichen verzichtete, auch wenn zunächst 20 Experten aus Peenemünde in England blieben [99]. Darunter waren Walter Riedel (der ältere) [100] und Helmuth Walther, der im „3. Reich“ u.a. den Antrieb für den kleinen Raketen-Jäger Me 163 entwickelt hatte und die sogenannte Walther-Schleuder (die Startrampe für die V1) [101]. Walther ging später in die USA und wurde Entwicklungsdirektor und Vizepräsident der Rüstungsfirma Worthington Corporation.
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Vom ehrgeizigen britischen Raketenprojekt Blue Streak sind heute in Woomera nur noch Trümmer übrig.
In kleinerem Rahmen entwickelte Großbritannien in Westcott, Buckinghamshire Feststoffraketen zur Luftabwehr. Das Programm Blue Streak – gemeinsam mit den USA sollte eine Mittelstreckenrakete entwickelt werden – wurde von zahllosen Pleiten begleitet und 1960 eingestellt. Getestet wurden diese auf einem Raketenschießplatz bei Woomera nordwestlich von Adelaide (Australien). Auch das Folgeprogramm „European Launcher Development Organisation“ (ELDO) in Zusammenarbeit mit Frankreich und Deutschland wurde 1973 endgültig abgebrochen. ELDO kann als Vorläufer der zivilen „Europäischen Weltraumorganisation“ (ESA) gelten, die 1975 gegründet wurde. Militärisch verließ sich Großbritannien auf den „großen Bruder“ USA – die britische U-Boot-Flotte wurde mit der US-Rakete Polaris ausgestattet [102].
Auch Frankreich bekam Einblick in die technischen Unterlagen, Peenemünder Ingenieure hatten auf die französische Raketenentwicklung nach dem Krieg wichtigen Einfluss. Französische Offiziere hatten beim 3. Raketenstart der Operation Backfire in Cuxhaven-Altenwalde zugeschaut und warben nun ebenfalls um Raketenfachleute. Nach Frankreich gingen u.a. Eugen Sänger, Helmut von Zborowski, Hubert Schardin mit seinem Team aus 32 Fachleuten, Heinrich Hertel [103]. Sänger wurde Berater des französischen Luftfahrtministeriums (Arsenal de l’Aéronautique Paris-Chàtillon) und konstruierte den Abfangjäger Nord 1500 Griffon, Zborowski entwickelte das Experimentalflugzeug SNECMA C.450.
Fliegerstaffel-Sänger ging Anfang der 60er Jahre nach Ägypten und beteiligte sich mit anderen deutschen Ingenieuren an der Entwicklung einer zweistufigen ägyptischen Rakete, die eine Höhe von 480 Kilometern erreichen konnte, wofür er 600.000 DM erhielt. Druck aus Israel zwang ihn, seine Arbeit einzustellen [104].
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Prof. Heinz Haber (†1990).
In den späteren 50er Jahren entwickelte von Braun gemeinsam mit dem früheren „Vereinsgenossen“ Willy Ley und Heinz Haber (in den 60er Jahren ein bekannter Moderator der ARD-Sendereihe „Unser blauer Planet“) [105], einem ehemaligen SS-Fliegeroffizier und Kandidaten der Operation Overcast, eine PR-Offensive für die Raumfahrt. Entscheidend für ein überwältigendes Echo in der US-Öffentlichkeit wurden Kontakte zu Walt Disney. Am 9. März 1955 wurde dessen TV-Special „Man in Space“ gesendet und begeisterte 40-100 Millionen Menschen [106]. In den USA wurde nun eine Raumfahrtbegeisterung initiiert, die derjenigen im Deutschland der 20er Jahre gleichkam (➥ Raketen aus Peenemünde I: Die Anfänge). Die Parallelen sind bemerkenswert: wie zur Zeit des „Vereins für Weltraumfahrt“ (VfR) war ein Film der „Katalysator“ und wie einst Valier und Nebel bemühte sich nun von Braun in den USA um Unterstützung der Raketenentwicklung nicht nur durch das Militär, sondern durch die gesamte Zivilgesellschaft.
Aufgrund des Zuständigkeitsgerangels zwischen Army, Airforce und Marine waren die Peenemünder in eine Sackgasse befördert worden – die großen Raketen sollten ab 1956/57 nur noch von der Airforce entwickelt werden [107]. Ruland: „In Huntsville gibt es wieder enttäuschte Gesichter, und manches unfreundliche Wort gegen ‚die da oben‘ fällt“ [108]. 1955 legte von Braun dem Verteidigungsministerium das Projekt „Orbiter“ vor, ohne auf große Resonanz zu stoßen. Das Team verstand nicht, dass die USA bei der Raketenentwicklung und der „Eroberung des Weltraums“ scheinbar so passiv blieben. Tatsächlich aber hatte die US-Luftwaffe schon fast zehn Jahre zuvor (1946) eine geheime Studie über militärischen Aufklärungssatelliten vorgestellt. Am 16. März 1955 war ein streng geheimes Satellitenprojekt (WS-117L) bereits beschlossen worden, ein Vorläufer der militärischen Discoverer-Aufklärungssatelliten ab 1959. Davon ahnte die Öffentlichkeit nichts, als der immerhin 83 kg schwere russische Sputnik I am 4. Oktober 1957 aus der Umlaufbahn zu piepsen begann [109].
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Die Vanguard explodiert 1957 auf der Startrampe.
Der UdSSR den Vortritt zu lassen, geht auf eine bewusste Strategie der US-Regierung zurück: Bis dahin war völlig ungeklärt, ob der territoriale „Überflug“ eines Landes durch einen Erdsatelliten Auslöser für einen Atomkrieg sein könnte. Der Präzedenzfall Sputnik zementierte, dass die territoriale Integrität nicht bis ins Weltall reicht. Die US-Regierung hatte jedoch die psychologische Wirkung von Sputnik I und II (gestartet am 3. November mit Hündin Laika an Bord) auf die inzwischen raumfahrtbegeisterte Öffentlichkeit unterschätzt. Man war geschockt, in Panik und sah die USA vom Untergang bedroht [110]. Nachdem die Vanguard-Rakete der Navy mit einem Satelliten am 6. Dezember 1957 auf der Startrampe explodiert worden war [111], traten die Peenemünder nun als Retter in der Not auf. Innerhalb von 60 Tagen konnte eine Jupiter C (nun als Juno 1) so aufgepeppt werden, dass sie am 1. Februar 1958 den ersten US-Satelliten in die Umlaufbahn brachte [112] – dieser war allerdings nur knapp 14 kg schwer. Das Peenemünder Team hatte Glück, dass die Jupiter diesmal funktionierte – das war durchaus nicht die Regel. 1958 gab es zwischen Januar und Oktober sechs Raketenstarts, drei davon misslangen [113]. Die damals hochgelobte, disziplinierte Peenemünder Wertarbeit reichte nicht, Dusel spielte auch mit.
Der Wettlauf zum Mond ersetzte zum Glück die Rüstungsspirale. Am 8. Juli 1958 wurde die NASA gegründet, deren Direktor von Braun am 1. Juli 1960 wurde [114]. Bereits im Oktober 1959 fiel bei der NASA die Entscheidung für eine „mittelfristige“ Mondlandung [115], der sich J.F. Kennedy am 25. Mai 1961 schließlich werbewirksam bemächtigte und die dann tatsächlich 8 Jahre später stattfand, am 20./21. Juli 1969 – übrigens genau 45 Jahre nach Stauffenbergs erfolglosem Hitler-Attentat.
Nachdem der Russe Juri Gagarin im April 1961 als erster Mensch die Erde umrundet hatte und nach dem Fiasko in Kubas Schweinebucht brauchte Kennedy unbedingt eine emotional zu besetzende Ablenkung fürs Volk, welche die bisherigen „Peinlichkeiten“ in den Schatten stellen musste [116]. Dazu brauchte man „kühne und dramatische Vorschläge mit politischer Zugkraft“ [117]. Und schon drei Jahre später, am 29. Januar 1964, startete erfolgreich die erste Saturn I-Rakete [118] – siehe auch ➥ We came in peace for mankind.
Es kann als bewusstes oder unbewusstes Verdienst Kennedys gelten, dass er dem militärisch-industriellen Komplex ein ziviles Ersatz-Betätigungsfeld gab, das den Rüstungswettlauf im Kalten Krieg zu einem quasi sportlichen Forschungswettlauf umwidmete, pathetisch aufgeladen mit Begriffen wie „natürlicher Wissbegierde des Menschen“ und „ungebremstem Fortschrittsglauben“. An die Stelle von Angst und Rüstung wurden – zumindest vorgeblich – Prestige der USA, Neugier, wissenschaftlicher Entdeckergeist, technischer Fortschritt, Zusammenarbeit und friedliche Forschung gesetzt.
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Wernher von Braun vor seinem Meisterwerk – F1-Triebwerken der ersten Stufe der Saturn V.
Wernher von Braun mutierte in den USA zum schwärmerisch-frömmelnden Christen – aus Opportunismus, wird unterstellt [119]. Die Verbrechen von Mittelbau-Dora wurden von den Peenemündern so gründlich verdrängt, dass von Braun in einigen Texten aus den 60er Jahren bedeutungsschwanger über Sittengesetze, Verantwortung der Wissenschaft gegenüber Gott, die Sklavenhaltung im Römischen Reich oder den Segen der Raketen für die Menschheit fabulieren konnte, ohne dass ihm wenigstens die Ohren geklingelt hätten [120]. In einer Pressekonferenz zur Mondlandung sprach von Braun von der Unsterblichkeit der Menschheit, die mit der Landung auf einem anderen Himmelskörper gesichert werde [121]. Über die Sterblichkeit der KZ-Häftlinge, die im Mittelwerk umgebracht wurden, verlor er „natürlich“ kein Wort. Man könnte zusammenfassen: Der „Raumfahrt-Siegfried“ [122] schwadronierte von Unsterblichkeit, obwohl mitschuld an 20.000 gequälten und toten Menschen im KZ Dora, deren Sterblichkeit er mit unter Beweis gestellt hatte.
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Szene aus dem Fritz Langs utopischem Film „Frau im Mond“ von 1929.
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„Earthrise“, fotografiert von Astronauten der Apollo 8 1968.
Die Erreichung des Mondes sei offensichtlich so wichtig, dass sie die Tatsache der Mitarbeit am Massenmord ungültig mache, kommentierte der Philosoph Günther Anders die von Braun-Begeisterung in den 60er und 70er Jahren sarkastisch [123]. So gesehen repräsentierte die Mondlandung menschliche Misere mindestens ebenso wie menschlichen Glanz [124]. Nach dem Urteil des Historikers Eisfeld war von Braun ein Mensch, der stets von seiner Anpassung an den Zeitgeist zu profitieren wusste und die Folgen seines Handelns verdrängte, indem er in Visionen flüchtete [125]. Von Braun selbst rechtfertigte sich 1963: „Mir […] ist vielfach vorgeworfen worden, dass ich meine Hand dazu hergegeben habe, eine Rakete wie die ‚V2‘ zu entwickeln. Ich glaube, dass ich eine andere Wahl nicht hatte. Ich weiß aber auch genau, dass die Schaffung der Raketenwaffe etwas Positives für sich hat“. Für die „homogene Gruppe“ der Peenemünder gilt diese Flucht ins Allgemeine, Unverbindliche, Visionäre allgemein; mit der Internierung in Garmisch-Partenkirchen 1945 hatte eine „Immunisierung“ des Gewissens eingesetzt [126], die Trauerarbeit, Reue und Versöhnung unmöglich machte. Gerade, weil sie ihre Mitverantwortung kleinredeten oder totschwiegen, wird das KZ Dora mit seinem Grauen für immer mit den technischen Erfolgen von Peenemünde verbunden bleiben.
Ab 1973 begann eine „Amerikanisierung“, die verbliebenen Deutschen wurden aus den Ämtern gedrängt [127]. Von Braun erkrankte im gleichen Jahr an Nierenkrebs, nachdem er jahrelang als „Dirigent ohne Orchester“ galt – man könnte auch „Frühstücksdirektor der NASA“ sagen – und starb im Juni 1977. (Militärische) Raumstation, (militärische) Mondstation oder ein Flug zum Mars oder zur Venus zu gigantischen Kosten büßten an öffentlicher Zugkraft ein – angesichts des Vietnamkrieges, der Attentate auf Martin Luther King und die Kennedys, der Rassendiskriminierung, des wachsenden Armutproblems und beginnender Einsicht in die Umweltprobleme auf der Erde [128]. Mit dem Erreichen des Mondes waren die USA erste in der Raumfahrt und hatten ihren Führungsanspruch in der Welt unterstrichen. Die bis heute größte erfolgreiche Rakete der Welt, die Saturn V, war aber nach dem Apolloprojekt zu einem „project in search of a mission“ geworden. Von einem „Siedlungsraum auf anderen Planeten“ [129] – ein Slogan, der an die nationalsozialistische Ideologie vom „Lebensraum im Osten“ erinnert – wollte man nichts mehr hören.
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Erfolgreicher Start des Space Launch Systems (SLS) mit unbemannter Artemis-Kapsel am 16. November 2022.
Nach dem Abzocke-Projekt „Mars One“, das 2019 insolvent ging [130] phantasiert Elon Musk heute wieder von der Besiedlung des Mars, flankiert vom verstorbenen Physiker Stephen Hawking [131]. Die NASA plant eine ständige Mondstation, die erste Artemis-Mission mit der neuen Riesen-Rakete SLS wurde erfolgreich absolviert. Sie erwägt in den 2030er Jahren einen bemannten Flug zum Mars und auch Indien möchte sich bis 2050 beteiligen [132]. Doch die Menschheit musste nach der ersten Apollo-Euphorie in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts – wie schon Rudolf Nebels Bastlertruppe 1932 bei Entwicklung erster Raketen – zunächst schmerzhaft erkennen: Ein längerer Flug durchs All, etwa zu anderen Planeten, stellt eine größere finanzielle, wissenschaftliche, technische und zeitliche Herausforderung dar, als bisher gedacht. Möglicherweise schließt sich an dieser Stelle der Kreis. Auch die „Bastlertruppe“ um Rudolf Nebel hatte in den 20er Jahren erkennen müssen, dass ein paar private Spenden und Beschaffungen nicht ausreichen, um die Raketentechnologie voranzutreiben. Die Ressourcen für solche gigantischen Projekte kann die Menschheit wahrscheinlich nur gemeinsam aufbringen, keine einzelne Firma oder Nation.
Ab 1979 begannen Nachforschungen des OSI (Office of Special Investigations), die noch verbliebenen Deutschen wurden aus den Ämtern gedrängt und unter Druck gesetzt [133], „Peenemünde-Süd“ war damit am Ende. Auf dem Sterbebett kamen Wernher von Braun leise Zweifel: „Es gibt so viel Elend in der Welt, das bekämpft werden muss. Haben wir wirklich das Richtige gemacht?“ [134]. Man könnte die Zweifel grundsätzlich ehrenwert nennen, wären die „Helden von Peenemünde“ nicht selbst tief verstrickt gewesen in Elend und den Tod Zehntausender KZ-Gefangener, Zwangsarbeiter und Zivilisten. Und last not least waren sie in Ost und West entscheidende Mitwirkende im Kalten Krieg, der die Welt z.B. in der Kubakrise an den Rand der Selbstvernichtung geführt hatte.
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[1] (MB), S. 150: Eines der Ordnance Intelligence Teams, die in Deutschland auf der Jagd nach Hochtechnologie unterwegs waren. Die vollständige Bedeutung des Mittelwerks war von den alliierten Geheimdiensten lange Zeit nicht erkannt worden, insbesondere dass hier wie am Fließband modernste Waffensysteme produziert wurden. Erst „wenige Monate vor der Besetzung Mitteldeutschlands“ wurde ihnen die Funktion des Mittelwerks klar – (UB), S. 138. ▲
[2] Zitiert nach (RE), S. 158 und (BR), S. 263. Brunzel schildert „maßloses unverständliches“ Staunen der Frontsoldaten – (UB), S. 138 – und meint sicher maßloses unverständiges Staunen, denn verständlich war das Staunen schon. ▲
[3] (BR), S. 265; (MB), S. 156; (RE), S. 160; (JW), S. 79; (UB), S. 140 und S. 224f. Als die Raketenteile ankamen, waren viele beschädigt oder verrostet. Sie wurden einfach in die Wüste „geschmissen“ und mussten später von den Deutschen wochenlang mühsam auseinandergenommen, gereinigt und wieder zusammengesetzt werden – (BR), S. 307. ▲
[4] Es handelte sich allesamt um Mitarbeiter des „Gemeinsamen Unterausschusses für nachrichtendienstliche Zielauswahl“ (Combines Intelligence Objectives Subcommittee, CIOS), der im Anschluss an die britisch-amerikanische Landung in der Normandie gegründet worden war. Allerdings herrschte ein gewisses Wirrwarr zwischen den verschiedenen Unterbehörden, die teilweise nebeneinander her oder gar gegeneinander arbeiteten – (RE), S. 160. Besuch von US-Politikern: (UB), S. 224. ▲
[5] (MB), S. 152. ➥ Weitere deutsche Raketenentwicklungen 1943-1945. ▲
[6] (MB), S. 151. ▲
[7] (MB), S. 158. Allerdings wussten die Sowjets genau vom Abtransport der „gefundenen“ V2 nach White Sands, wie eine Anekdote zeigt: (UB), S. 224. Nach Ruland hätten die Sowjets im Mittelwerk auch noch einige „fast fertige Raketen“ vorgefunden – (BR), S. 325. Das ist denkbar, denn noch heute wird ein verrostetes Triebwerk in den Kohnstein-Höhlen gerne fotografiert. ▲
[8] (MB), S. 157. Zehn V2 konnte die 3. US-Panzerdivision schon am 29. März 1945 im Bahnhof Bromskirchen in Hessen erbeuten, inklusive mobiler Abschussrampen, Treibstoff und Bedienungsanleitung. Sie wurden „postwendend“ über Antwerpen in die USA verschifft – wikipedia.org: Aggregat 4, Abschnitt „Erbeutung von A4-Raketen durch die Vereinigten Staaten“. ▲
[9] (BR), S. 275f; (GJ), S. 228. In der Selbstdarstellung der Gemeinde Garmisch-Partenkirchen fehlt dieser Teil der Geschichte bezeichnenderweise. ▲
[10] Arthur Rudolph bestätigt dies in seinen Memoiren. Erleichtert wurden diese „Absprachen“ durch den „Teamgeist“. Neufeld beschreibt die Peenemünder als „bemerkenswert homogene Führungsschicht teilweise promovierter Diplomingenieure“ – (MN), S. 126 -, die eine „verschworene Gemeinschaft“ bildeten und für eine „bemerkenswerte Synchronisation der Erinnerungen“ sorgte, die oftmals nicht den historischen Tatsachen entspricht, dem „Mythos Peenemünde“- (JW), S. 85 u. (RE), S. 162f. Der Begriff der „verschworenen Gemeinschaft“ findet sich schon bei (BR), S. 277, hier aber positiv besetzt. ▲
[11] (MB), S. 140f; (BR), S. 262. Wikipedia: Werner Osenberg, Abschnitt „Forschungskartei“. Diese Kartei übergab Osenberg kurz nach seiner Gefangennahme den Alliierten. Sie lagert heute im Bundesarchiv in Berlin. ▲
[12] (JW), S. 79: Zunächst war im Rahmen der Operation Overcast (=“Bewölkt“) ab Juli 1945 ein begrenzter Aufenthalt der Deutschen in den USA vorgesehen. Wikipedia; (RE), S. 164 und (BR), S. 295 nennen die Zahl 127 – abweichend dazu (JW), S. 79 die Zahl 115 und (BR), S. 305: 111 bis Februar 1946; dann aber auf S. 309: 118. Diese gut 100 wurden durch von Braun persönlich ausgewählt, er hatte somit ein Druckmittel. Von Braun traf am 19. September in den USA ein – (RE), S. 164 – als Vorhut gemeinsam mit Wilhelm Jungert, Erich Neubert, Theodor Poppel, Eberhard Rees, August Schulze und Walter Schwidetzky – (BR), S. 298. (JW), S. 86f u. (RE), S. 170: Im März 1946 lief dann das Projekt Paperclip (=“Büroklammer“) an, das u.a. eine Einbürgerung deutscher Wissenschaftler und deren Tätigkeit für die amerikanische Wirtschaft „erleichterte“ – insgesamt wurden 1.500 deutsche Techniker und Ingenieure in die USA umgesiedelt. Entnazifizierungsansprüche rückten in den Hintergrund – (RE), S. 171f. Diese Operationen sollen so geheim gewesen sein, dass selbst Präsident Truman zunächst nichts davon wusste – (UB), S. 225. Die Anwesenheit deutscher Raketenwissenschaftler in den USA wurde von Truman am 24. Oktober 1946 bekannt gemacht und von der Öffentlichkeit zunächst sehr ablehnend aufgenommen – (BR), S. 309. Eine umfangreiche Namensliste bietet der Burnser-Report. ▲
[13] (BR), S. 319. ▲
[14] (JW), S. 80. Brunzel gibt als Datum des ersten Raketenstarts in White Sands dagegen den 10. Mai 1946 an – (UB), S. 225 – und Ruland als erste „Zündung“ den 14. März 1946. Die Sowjetunion hatte lt. (HJMG) die erste V2 schon im Juli 1945 rekonstruiert, weitere fünf Raketen Ende 1945 – (HJMG), S. 13. Im Zuge der Operation Backfire (=“Frühzündung“) wurden zwischen dem 2. und 15. Oktober 1945 von Cuxhaven aus drei V2 Richtung Dänemark verschossen. Lt. (RE) war die erste „V2 made in UdSSR“ im März 1946 fertig – (RE), S. 176) – aber der erste erfolgreiche Start einer in Russland nachgebauten V2 fand erst am 18. Oktober 1947 um 10:47 Uhr in Kapustin Jar statt, als „Baumuster 10T“. Sie flog 206,7 Kilometer weit, hatte eine Zielabweichung von 30 Kilometern und zerbrach beim Wiedereintritt – (HJMG), S. 19ff. Wir erinnern uns an die Problematik der „Luftzerleger“, die 1944 Dornberger in Blizna beschäftigt hatte (➥ Raketen aus Peenemünde III: Serienproduktion des Todes). ▲
[15] (UB), S. 225. (JW), S. 80: Am 24. Februar 1949 erreichte eine modifizierte V2, der als zweite Stufe die amerikanische Rakete WAC-Corporal aufgesetzt worden war („Bumper“), eine Rekordhöhe von 390 Kilometern – allerdings verselbständigte sich auch mal eine Rakete und schlug im benachbarten Mexiko auf einem Friedhof der Stadt Juaréz ein – verletzt wurde durch den Irrläufer wie durch ein Wunder niemand – (JW), S. 89 und (BR), S. 313. Es wurden erste Erkenntnisse über die Zusammensetzung der Atmosphäre in diesen Höhen und die kosmische Strahlung gewonnen. Zum Vergleich: Die ISS umkreist die Erde in einer Höhe von 400 Kilometern. ▲
[16] wikipedia.org: Liste der Versuchsstarts der A4-Rakete, Abschnitt „Start von A4-Raketen, welche von den USA erbeutet wurden“. nasa.gov: History of Research in Space Biology and Biodynamics, Part I, The Beginnings of Research in Space Biology at the Air Force Missile Development Center, 1946-1952: Es gab bis 1952 in den USA mehrere Versuche, mit V2 Affen und Mäuse ins All zu schießen, es kam zu Fehlstarts und/oder diese überlebten nicht. In der Sowjetunion wurden schon am 15. August 1951 erstmals zwei Hunde (Djesik und Zygan) mit der R-1W in eine Höhe von 110 km geschossen und landeten anschließend wohlbehalten – wikipedia.org: R1 (Rakete). ▲
[17] (ER), S. 8. Zitat des späteren US-Senator George McGovern, nach (RE), S. 175. ▲
[18] Zu den Kosten: (UB), S. 225. ▲
[19] (JW), S. 79. ▲
[20] Wernher von Braun zitiert nach (JW), S. 81 und (BR), S. 306. ▲
[21] (FK), S. 115. ▲
[22] (FK), S. 121f. ▲
[23] (JW), S. 83. ▲
[24] (BR), S. 328; (MN), S. 323. Reichl schreibt von einer „Nacht- und Nebel-Aktion“, das erinnert an die Zwangsumsiedlung der Wissenschaftler des Zentralwerks aus der sowjetischen Zone in die Nähe Moskaus am 22. Oktober 1946 – (ER), S. 20. ▲
[25] Vgl. (RE), S. 183f. ▲
[26] (JW), S. 89 u. (RE), S. 184: Noch Anfang der 60er Jahre waren alle 13 Abteilungsleiter unter von Braun ehemalige Peenemünder. Diese waren peinlich darauf bedacht, ihre Spitzenpositionen zu verteidigen. ▲
[27] (MN), S. 323. ▲
[28] „Die Atmosphäre war die gleiche wie in Peenemünde, und viele alte Freunde hatten sich zusammengefunden“ – so Dieter Huzel, zitiert nach (BR), S. 305. Auch das Marshall Space Flight Center in Huntsville, sozusagen die NASA-Zentrale, erbte 1965 diesen Spitznamen. ▲
[29] (RE), S. 182. ▲
[30] (ER), S. 20. ▲
[31] In die Entwicklung der Redstone flossen Erfahrungen aus der A9-Entwicklung ein, diese Unterlagen und spezielle Teile des A4 hatte der Peenemünder Ingenieur Rudolf Daniel 1945-1952 im Auftrag der Amerikaner „beschafft“. Schon diese Episode wäre einen Agentenkrimi wert – (UB), S. 225. – (JW), S. 92f: Die Redstone war die erste Rakete, die einen Sprengkopf – atomar oder nicht – getrennt von der Rakete exakt in ein Ziel steuern konnte. Die Redstone hatte 34 Tonnen Schub, der Sprengkopf konnte bis 3 Tonnen wiegen, genau so viel wie die zu der Zeit verfügbaren Atombomben. Sie orientierte sich noch deutlich an der V2: Treibstoff Ethanol/Flüssigsauerstoff sowie Graphit-Strahlruder, bewegliche Flossen, Trägheitsplattform. Neu war das „Lochstreifen-Gedächtnis“, das die Abfolge der Steuerungskommandos vorgab – (ER), S. 20 und 24. (MN), S. 324: Die Redstone war eigentlich ein verbessertes A4. (RE), S. 185: Startgewicht 28 Tonnen, 20 Meter hoch.
Man erinnere sich: Schon 1936 hatte Dornberger in Peenemünde Prüfstände für ein weiterentwickeltes A4 mit 100 Tonnen Schub vorgesehen. ➥ Raketen aus Peenemünde I: Die Anfänge, FN 6. astronatix.com: Redstone. In den letzten Kriegswochen war in Peenemünde mit dem A4 übrigens schon eine bessere Reichweite erzielt worden, wie aus den Abschusslisten hervorgeht. Am 20. Februar 1945 wurde ein A4 mit vergrößerten Tanks 422 km weit geschossen – wikipedia.org: Liste der Versuchsstarts der A4-Rakete, Abschnitt „Versuchsstarts in Peenemünde und der Greifswalder Oie“. ▲
[32] (JW), S. 92. ▲
[33] (RE), S. 185. ▲
[34] (MN), S. 324; (UB), S. 225. Vgl. auch ➥ Weitere deutsche Raketenentwicklungen 1943-1945. Mehr zum Nike-Gürtel unter wikipedia.org: Nike (Rakete). Ruland nennt explizit die Flugabwehrrakete Wasserfall als Vorläufer der „Anti-Raketen-Rakete“ Nike-Zeus – (BR), S. 219. ▲
[35] (UB), S. 214 und (BR), S. 284. ▲
[36] (FK), S. 126f. ▲
[37] Vgl. ➥ Raketen aus Peenemünde I: Die Anfänge, FN 46. ▲
[38] Vgl. ➥ Raketen aus Peenemünde I: Die Anfänge, FN 49. ▲
[39] falk-report.de: Umstrittener Raketenforscher. ▲
[40] (BR), S. 203. ▲
[41] (JW), S. 95. ▲
[42] Auch hier schließt sich ein Kreis: Die Artikelserie hatte Willy Ley organisiert, der schon in den 20er Jahren Mitglied im „Verein für Weltraumfahrt“ war – (RE), S. 191. ➥ Raketen aus Peenemünde I: Die Anfänge. ▲
[43] Nach (RE), S. 186. ▲
[44] (RE), S. 186f und S. 188f. ▲
[45] wikipedia.org: Franz Ludwig Neher. Siehe auch ➥ Raketen aus Peenemünde II: HVA und Mittelwerk, FN 30. Neher war auch der „Ghostwriter“ für Dornbergers Memoiren „Peenemünde. Die Geschichte der V-Waffen“. ▲
[46] (JW), S. 7: In einem Schüleraufsatz entwarf von Braun eine Raumstation „Lunetta“, von der aus „ein verbreitetes Sicherungssystem auf der Erde dirigiert“ werde. Weyer kommentiert dies so: diese Vision enthalte im Kern ein technokratisches Konzept, nach dem Experten ohne demokratische Legitimation kraft ihres Wissens regieren und erklärt diese Haltung biografisch. Der Aufsatz findet sich abgedruckt in (BR), S. 206f. ▲
[47] Nach (JW), S. 95. u. (JW), S. 102: „Indem er die eigenen Visionen auf den Gegner projizierte, erzeugte er einen akuten Handlungsbedarf für die USA“. ▲
[48] Zitiert nach (BR), S. 335. In der US-Öffentlichkeit gab es Stimmen, die von Braun unterstellten, er wolle skrupellos die finanziellen Mittel der USA für seinen persönlichen Ehrgeiz ausnutzen – (BR), S. 347. Skrupellosigkeit bei Erreichung seiner Ziele und persönlichen Ehrgeiz hatten ihm schon andere bescheinigt, ganz falsch lagen die Kritiker damit wohl nicht. ▲
[49] (RE), S. 183. ▲
[50] wikipedia.org, Redstone (Rakete): „Die Zuverlässigkeit des Typs war daher ziemlich gering“. Schon der Erstflug war ein Fehlstart – (ER), S. 24. Dagegen schildert Reichl: „[…] bald erwies sich die Rakete als sehr zuverlässig und erhielt bei der Army den Beinamen ‚Old Reliable'“ – (ER), S. 24. Vieles war möglicherweise Propaganda der Peenemünder. ▲
[51] wikipedia.org, Juno I, Abschnitt „Geschichte“: Von 6 Starts der Juno I waren nur 3 erfolgreich. ▲
[52] (BR), S. 83 ff. Die Parallelen zu Oberth sind frappierend: Ziolkowski entwickelte theoretische Grundlagen für Raketenantriebe und war wie Oberth 1936 als Berater für einen Science-Fiction-Film „Kosmische Reise“ tätig. Heute weiß man, dass Oberths russisch-stämmiger Mitarbeiter Alexander B. Scherschevski ein Spion war, der 32 Berichte über die „Kegeldüse“ und die UFA-Rakete nach Moskau sandte – weswegen in den Geheimdienstarchiven des KGB vollständigere Unterlagen über Oberths Erfindung lagern als sie Oberth, Nebel oder von Braun nach dem Weltkrieg besaßen – Sensationeller Archivfund: Sowjets ließen Oberth ausspionieren. ▲
[53] (HJMG), S. 7. ▲
[54] ➥ Raketen aus Peenemünde III: Serienproduktion des Todes, Abschnitt „Weiterentwicklungen in Peenemünde“ und FN 43. ▲
[55] (UB), S. 216: Dieses Triebwerk sei umgehend für weitere Untersuchungen nach Moskau geschafft worden. (HJMG), S. 7: berichtet nur von einer beschädigten Brennkammer und einer defekten Turbopumpe. ▲
[56] (HJMG), S. 9. ▲
[57] (UB), S. 218f. ▲
[58] ebda. ▲
[59] (HJMG), S. 24: Von 20 V2-Nachbauten, die nach Kapustin Jar gebracht worden waren, wurden 1947/48 elf gestartet. Davon erreichten 5 ihr Ziel. In Kapustin Jar wurde zur Erinnerung an den ersten erfolgreichen Raketenstart ein Denkmal mit einer Original-V2 errichtet (siehe Abbildung in diesem Beitrag). ▲
[60] (BR), S. 325. ▲
[61] (HJMG), S. 10f. ▲
[62] (MB), S.158: Es erschien effizienter, wenn die deutschen Fachkräfte in gewohnter Umgebung und an den gewohnten Produktionsstätten an ihre Arbeit gingen als nach einer Deportation. Der ehemalige „Mittelraum“ wurde somit wieder Zentrum der Raketenproduktion wie zuvor – nur unter sowjetischer Regie. Mit detektivischem Spürsinn suchte die „Technische Sonderkommission“ (TSK) der Roten Armee nach Ehemaligen aus der V2-Produktion. Der Umstand, dass die „Gefundenen“ (zunächst) bei gesicherten Lebensumständen in der Heimat bleiben und ihrer beruflichen Leidenschaft weiter frönen durften, mag ein Grund gewesen sein, freiwillig „in dem von der Sowjetunion besetzten Gebiet“ zu bleiben – (BR), S. 295 und 325 (Tagebuch Irmgard Gröttrup). Daran änderte auch die Überzeugungsarbeit von Brauns in Nordwalde nichts: die Amerikaner boten schließlich nur sechs Dollar am Tag. ▲
[63] (UB), S. 140. ▲
[64] (MH), S. 321 und (BR), S. 297. ▲
[65] (MB), S. 159 und (UB), S. 219f. ▲
[66] Unter ihnen auch Erich Apel, der spätere Chef der Plankommission der DDR – (UB), S. 218. ▲
[67] (RE), S. 176. ▲
[68] (BR), S. 325. ▲
[69] (RE), S. 176: Zunächst sollte die V2 so umgebaut werden, dass eine Reichweite von 1.000 Kilometern möglich würde. Brunzel führt den Beschluss N. 1017-419ss des Ministerrats der UdSSR an, der allerdings erst am 13. Mai gefasst wurde – (UB), S. 219. ▲
[70] (MN), S. 325: Neufeld führt den Sputnik-Triumph unmittelbar auf den Einfluss der Peenemünder Technologien zurück. ▲
[71] (MB), S. 164 und (BR), S. 298. ▲
[72] Auf russisch hieß die Aktion abgekürzt Операция Осоавиахим (Operation Ossoawiachim), nicht gleichzusetzen mit der „Gesellschaft zur Förderung der Verteidigung, des Flugwesens und der Chemie“, abgekürzt ОСОАВИАХИМ = OSSOAWIACHIM, einer sowjetischen vormilitärischen Massenorganisation. Vgl. die Verwirrung bei (MB), S. 163; (RE), S. 176f; (UB), S, 221. – Auch wenn es für die Deutschen überraschend kam, so war die Aktion von langer Hand geplant: Schon ab März 1946 war mit der Vorbereitung von Wohnungen für die Zwangsumzusiedelnden begonnen worden – (UB), S. 220. Ruland nennt „5000 Ingenieure mit ihren Angehörigen“ – (BR), S. 327. Es ging dabei nicht nur um Raketenspezialisten, auch um Experten für Düsenflugzeuge oder U-Boot-Fachleute. ▲
[73] (RE), S. 178. Gröttrup verwendete in seinem Protestschreiben dann allerdings den deutlichen Begriff „Deportation“ – (BR), S. 327. ▲
[74] (UB), S. 140f: So wurden die beiden Eingänge der Fahrstollen verschüttet. ▲
[75] (UB), S. 141. ▲
[76] (UB), S. 221. ▲
[77] ➥ Raketen aus Peenemünde III: Serienproduktion des Todes. ▲
[78] (UB), S. 141. ▲
[79] (MN), S. 324; (RE), S. 177; (HJMG), S. 19ff; UB, S. 221. Ruland dagegen: am 30. Oktober 1947 – (BR), S. 323. ▲
[80] (UB), S. 220. ▲
[81] (MN), S. 325 u. (RE), S. 177. Man kann es auch so ausdrücken: „Um 1951 war der Know-How-Transfer abgeschlossen“ – (ER), S. 8. In einem Erlass vom 22. November 1953 hieß es kurz und bündig: „Wir danken für die geleistete Arbeit“. Ein Team unter Johannes Hoch arbeitete weiter am Feuerleitsystem, ein weiteres unter Waldemar Möller an der Lenkung. Die letzten Deutschen dieser 25-köpfigen Gruppe durften erst 1958 heimkehren – Buchbesprechung mit dem Blick auf die Gegenwart – Stalins V-2 (Teil VI). ▲
[82] (HJMG), S. 25. ▲
[83] (HJMG), S. 31. ▲
[84] (ER), S. 8. ▲
[86] (UB), S. 213f. Im Wernerwald findet man heute kaum noch Spuren der Operation Backfire. Lediglich die versteckte Ruine des Beobachtungsbunkers ist noch vorhanden – youtube.com: 75 Jahre OPERATION BACKFIRE – Spuren der V2-Tests bei Cuxhaven ab 5:33. Keine Führungen, keine Ausstellung, keine Hinweistafeln. Die Stadt Cuxhaven hat ganz offensichtlich kein Interesse an dieser ihrer Vergangenheit. „Hier wird tief und fest geschlafen, wenn es um Geschichte geht“ – Hartmut Mester (Cuxpedia) in einer E-Mail am 7. März 2023. ▲
[87] EBDA. ▲
[88] (RE), S. 175: Darunter Kurt Debus, Arthur Rudolph und Dieter Huzel. Bei Cuxhaven war bereits eine gewisse Infrastruktur der Marine vorhanden. In den letzten Kriegsmonaten sollte daher hier (auf Anweisung von Brauns) unter Leitung von Kurt Debus bereits eine Erprobungsstelle für die V2 neu entstehen sollte, wozu es durch den Kriegsverlauf aber nicht mehr kam – IAA-01-IAA-2.1.08 Dr. Kurz H. Debus: Launching a Vision. Die Kriegsgefangenen waren Angehörige der Wehrmachtsdivision z.b.V. (Heeres-Artillerie-Abteilung 836), die V2 auf London, Paris, Lille, Brüssel, Maastrich und Antwerpen geschossen hatten. Insgesamt waren fast 600 deutsche Raketenfachleute im britischen Versuchskommando Altenwalde zusammengefasst, unter Leitung von Oberst Wolfgang Weber. Es winkten doppelter Wehrsold und Sonderverpflegung – (UB), S. 212f. Die erste, von den deutschen Ingenieuren montierte Rakete startete am 2. Oktober und flog 249,4 km weit, die zweite am 4. Oktober flog nur 24 km (Triebwerk fiel kurz nach dem Start aus) und die dritte erreichte am 15.10. eine Entfernung von 233 km – cuxwiki.de: Operation Backfire. Dem waren zwei missglückte Versuche vorausgegangen – (UB), S. 212. Die deutschen Experten waren mit den Starts nicht zufrieden, beim letzten Start jubelten die französischen und sowjetischen Beobachter jedoch, darunter auch der sowjetische „Wernher von Braun“, Sergej Koroljow. Er durfte allerdings nur am Zaun stehen, weil er es nur verkleidet als Hauptmann und als „persönlicher Chauffeur“ von General Andrej Sokolow nach Altenwalde geschafft hatte. Koroljow war zuvor 6 Jahre lang politisch inhaftiert gewesen und hatte natürlich keine offizielle Einladung – (UB), S. 217. Die offizielle Rehabilitierung Koroljows erfolgte erst am 18. April 1957 – wikipedia.org: Sergei Pawlowitsch Koroljow. ▲
[89] SS-Mitgliedsnummer 426.559 seit 1939 (wikipedia), Brunzel behauptet seit 1940 – (UB), S. 226. 1942 zeigte er einen Arbeitskollegen bei der Gestapo an, wegen angeblicher „staatsabträglicher“ Äußerungen. Dieser wurde daraufhin zu zwei Jahren Gefängnis nach dem damaligen Heimtückegesetz verurteilt. ▲
[90] (UB), S. 215. ▲
[91] (BR), S. 282. ▲
[92] (BR), S. 283. ▲
[93] Vgl (BR), S. 281. ▲
[94] (UB), S. 214. ▲
[95] Wobei der erste britische Versuch mit der V2 am 1. Oktober nicht sehr erfolgreich verlief – (FK), S. 115 und Raketenstarts in Cuxhaven, Abschnitt „Chronologie“. (FK) gibt an, dass insgesamt 16 Raketen rekonstruiert worden seien. Was aus den 11 nicht verschossenen V2 wurde, ist unklar. ▲
[96] Zitiert nach (UB), S. 213. ▲
[97] (FK), S. 115. Tatsächlich waren die Briten am 2. Oktober 1945 durchaus in der Lage, die V2 auch ohne deutsche Unterstützung abzufeuern – Raketenstarts in Cuxhaven, Abschnitt „Chronologie“. ▲
[98] Vgl. us.archive.org: A4-Fibel, Gebrauchsanleitung für die Truppe. Die mit Merkreimen und sexy Bildchen versehene „Fibel“ sollte wohl die Stimmung heben, täuscht aber nicht über die Komplexität der Abschussvorbereitungen hinweg. ▲
[99] Vgl. (FK), S. 117. ▲
[100] (MH), S. 321 u. (UB), S. 214. ▲
[101] Weitere Entwicklungen: Treibstoff-Förderpumpen für das A4, ein U-Boot-Antrieb – (UB), S. 214. „Schnorchel“ für U-Boote sollen die „Wirksamkeit“ verzehnfacht haben – (BR), S. 261. ▲
[102] (UB), S. 214; wikipedia.org: Blue Streak. ▲
[103] (MN), S. 324; (UB), S. 215f: Sänger stammte aus Österreich und war Mitglied einer SS-Fliegerstaffel. Im Krieg hatte er an einem Fernbomberprojekt für Luftangriffe auf New York mitgearbeitet. SS-Hauptsturmführer Zborowski – SS-Nr. 382449 – war österreichischer Triebwerksingenieur und von Himmler persönlich gefördert worden. Er hatte als Dank Himmler 1942 eines seiner Raketenpatente (Triebwerk Z 25646) übertragen. Hertel war einer von wenigen, die sich nach dem Krieg mit der Arbeit für das „Dritte Reich“ kritisch auseinandersetzten und sich gegen militärische Forschung an deutschen Universitäten wandte – wikipedia.org: Heinrich Hertel. ▲
[104] (UB), S. 216. ▲
[105] wikipedia.org: Heinz Haber. Er kam „an der Ostfront“ zum Einsatz und war damit am brutalen Angriffskrieg beteiligt, der sich ungehemmt auch gegen die Zivilbevölkerung richtete. Ein Wort der Reue oder eingeräumter Mitschuld hat man von ihm aber nie vernommen. ▲
[106] wikipedia.org: Willy Ley. Hier wird die Zahl von 40 Millionen genannt. (RE), S. 191, nennt dagegen 100 Millionen. ▲
[107] (RE), S. 195. ▲
[108] (BR), S. 342. ▲
[109] Weyer (S. 106ff) streicht die „Zweigleisigkeit“ des amerikanischen Weltraumkonzepts heraus. Schon 1946 stellte die US-Luftwaffe eine Studie über militärischen Aufklärungssatelliten vor. Ebenso ist kaum bekannt, dass schließlich parallel zum Apollo-Projekt in den USA die massivste Aufrüstung ihrer Geschichte stattfand – (JW), S. 129. ▲
[110] (RE), S. 202. ▲
[111] (BR), S. 343. Auch dies erinnert entfernt an Oberths und Nebels Versuch, für die UFA in den 20er Jahren die erste „echte“ Rakete zu bauen – diese explodierte beim Start – (MN), S. 25, ➥ Raketen aus Peenemünde I: Die Anfänge, FN 35. ▲
[112] Ortszeit 31. Januar 1958, 22:48 Uhr erfolgte der Start – (BR), S. 349. Dagegen gibt wikipedia als Startdatum den 1. Februar an – Explorer 1. ▲
[113] wikipedia.ort: Redstone (Rakete), Abschnitt „Varianten“ und wikipedia.org: Juno I, Abschnitt „Geschichte“. ▲
[114] Arthur Rudolph wurde 1963 Programmdirektor für die Saturn V – (RE), S. 224. ▲
[115] (JW), S. 124f. ▲
[116] Vgl. (RE), S. 214f. ▲
[117] Sicherheitsberater Schlesinger, zitiert nach (RE), S. 215. Eisfeld stellt hier einen Zusammenhang zur misslungenen Invasion in der Schweinebucht (Kuba) am 20. April 1961 her, nachdem am 12. April 1961 Juri Gagarin die Erde umkreist hatte. Die USA benötigten dringend ein ehrgeiziges Erfolgsprojekt, nachdem sie sich sowohl technologisch wie militärisch lächerlich gemacht hatten. Denn einen Tag nach der misslungenen Invasion in der Schweinebucht ließ Kennedy bereits intern nach einem prestigebringenden Raumfahrtprojekt suchen. ▲
[118] (BR), S. 359. ▲
[119] „Stundenlang ritt ich hinaus in die Texassonne, war allein und betete“ – (BR), S. 388. ▲
[120] (BR), S. 385ff. ▲
[121] (BR), S. 33. ▲
[122] (BR), S. 43. ▲
[123] Zitiert nach (RE), S. 34. Anders hatte damit mehr recht, als er fürchtete. Major Staver, der das Projekt Overcast/Paperclip durchsetzte, schrieb über die umzusiedelnden Deutschen schon 1945 ganz offen: „Ihre künftige wissenschaftliche Bedeutung wiegt schwerer als ihre heutige Kriegsschuld“ – zitiert nach (UB), S. 226. ▲
[124] Günther Anders nach (RE), S. 229. ▲
[125] (RE), S. 234. ▲
[126] (RE), S. 245. Im Vorwort zu (BR) erwähnt von Braun noch 1969 eine „Vereinigung Ehemaliger Peenemünder“ – (BR), S. 8. ▲
[127] (RE), S. 239. ▲
[128] Vgl. (JW), S. 135. In der Euphorie der Apollo-Zeit war ein Flug zum Mars für 1986 avisiert worden – für 75 Milliarden Dollar – (BR), S. 361. Das wäre etwa das Dreifache dessen gewesen, was das Manhattan-Projekt verschlungen hatte. „Wernher von Braun ist fest davon überzeugt, daß der Mensch um die Jahre 1985 bis 1990 auf dem Mars Fuß fassen und in einer voraussehbaren Zukunft auch dort nicht halt machen wird“ – (BR), S. 375. Von Braun vertrat heute nahezu verrückt anmutende Visionen wie das Abschmelzen des Nordpol-Eises mittels Weltraumspiegeln in der Umlaufbahn, um „die Polargegenden“ „land- und forstwirtschaftlich nutzbar“ zu machen – (BR), S. 362. Spiegel in der Umlaufbahn hatten ihm schon als 17-jährigem vorgeschwebt. ▲
[129] (JW), S. 137f. ▲
[130] wikipedia.org: . ▲
[131] „Wir benötigen mehr Raum“ – welt.de: „Die Menschheit ist verloren, wenn wir nicht die Erde verlassen“. Die andere Überlegung wäre, mit Hilfe von Geburtenkontrolle das „wir“ zu reduzieren, dann wäre hier auch wieder genug Platz. Den Heimatplaneten Erde zu pflegen und zu hegen ist sicher weniger aufwändig als das Besiedeln z.B. des Mars. ▲
[132] wikipedia.org: Bemannter Marsflug. ▲
[133] (JW), S. 142: Plötzlich schien die moralisch-ethische Neubewertung der deutschen Übersiedler opportun, nachdem 1945 alles getan worden war, um Nachforschungen zu verhindern. Das OSI beabsichtigte 1982, gegen Arthur Rudolph Anklage zu erheben. Dem Prozess kam er 1984 durch Rückübersiedlung in die Bundesrepublik (Hamburg) zuvor – (RE), S. 243. Siehe ➥ Raketen aus Peenemünde II: HVA und Mittelwerk, FN 64. ▲
[134] Zitiert nach (JW), S. 143. Von Braun äußerte diese Worte vermutlich im Hinblick darauf, ob man die Mittel statt in die Weltraumforschung eher in die Krebsforschung hätte investieren sollen – nicht mit Blick auf die Opfer im KZ Dora und anderswo. ▲
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13253.7 Von links nach rechts: Kir Sten, CC BY 3.0, bearb. von Mirke (SW-konvertiert, Kontrast, Ausschnitt), 21.01.2023. ▲
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13253.13 Förderverein Peenemünde, Buchbesprechung mit dem Blick auf die Gegenwart Stalins V-2 (Teil VI), 28.02.2023. ▲
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13253.23 NASA, Public Domain, via Wikimedia Commons, bearb. v. Mirke (Drehung, Komposition), 28.02.2023. ▲
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