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Als Ziegen- und Schafhirte hat man viel Zeit zum Sinnieren, wird von niemandem genervt und braucht auch nicht so hart zu arbeiten. Hermano Pedro, zu deutsch „Bruder Peter“, auch „Peter von Betancurt“ oder „San Pedro de San José Betancurt“, scheint mit seinem Schicksal in Vilaflor (Teneriffa) aber trotzdem nicht ganz glücklich gewesen zu sein, in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Vielleicht gab es Streit mit dem Chef? Zu der Zeit herrschte der Graf Soler über die Gegend – einer seiner Nachkommen wurde von einer Gruppe Vermummter vermutlich aus Rache erschossen, wohl kaum, weil er so beliebt war. Vielleicht war es auch eine verschmähte Liebe? Den Gutshof „Casa de los Soler“ kann man heute jedenfalls noch in Vilaflor besichtigen, das Gebäude gilt als der schönste Gutshof weit und breit.
Das feudal geprägte Dorfleben war wohl nicht wirklich was für ihn. War er ein besonders freiheitsliebender, stolzer Mensch? Immerhin gilt er als Nachfahre von Juan von Betancurt, einem normannischen Eroberer der Kanaren. Mehr und mehr zog sich Pedro – umgeben von den Ziegen, die er behirtete und die wahrscheinlich auch dem Grafen Soler gehörten – in die karge Landschaft zurück. Lebte in einer Höhle auf halbem Wege zwischen El Médano und dem heutigen Flughafen Teneriffa-Süd, die man als Tourist oder Pilger besichtigen kann.
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So gut ausgestattet war die Höhle im 17. Jahrhundert sicher nicht. Heute ist sie eine Andachtsstätte, Ziel des kaum noch findbaren Pilgerpfads, der von Vilaflor herführt.
Dann scheint 1649 etwas passiert zu sein, als Pedro 23 Jahre alt war: der Reiseführer spricht von Emigration. Warum hatte Pedro plötzlich genug vom Ziegen hüten? Das Ziel war Guatemala, hier erhoffte er sich angeblich einen Job in der spanischen Verwaltung – reichlich vermessen für einen ungebildeten Hirten. Die Überfahrt finanzierte er sich durch Arbeit auf einem Schiff, weiß das „Ökumenische Heiligenlexikon“. Aber beim Zwischenstopp in Havana (Kuba) ging schon das letzte Geld weg und so musste er sich durch Hilfsarbeiten erstmal ein paar Cents zurücklegen, was ein Jahr dauerte.
Kurz nach der Überfahrt von Kuba nach Guatemala wurde Pedro krank. War es die Ruhr, die Malaria oder waren es gar die Pocken? Dies allesamt Krankheiten, die man zu der Zeit nicht behandeln konnte, außer mit Ruhe und Gebeten. Die katholische Kirche hat Vorwände zum Genozid an den Indios geliefert, wie die Geschichte von Hernán Cortés zeigt, der im 16. Jahrhundert das Weltreich der Azteken vernichtete. Zugleich war sie für einen katholischen Spanier bzw. Canaro wie Pedro auch ein Hort der Barmherzigkeit. Franziskaner pflegten ihn im Armenkrankenhaus von Guatemala gesund.
Auf die Mönche muss er einen guten Eindruck gemacht haben, „Bruder Peter“ war wohl auch ein aufgewecktes Kerlchen. Der Mönch Fernando Espino wurde sein väterlicher Förderer und vermittelte Pedro zunächst Arbeit in einer Textilfabrik. Was für ein „Fortschritt“ gegenüber dem Chillen mit Ziegen in der schönen Landschaft Teneriffas!
1653 versuchte sich Pedro mit einer Priesterausbildung am Jesuitenkolleg, brach die Ausbildung jedoch ab, da er sich den Anforderungen nicht gewachsen fühlte. Als Analphabet mit Ende Zwanzig u.a. Latein und Altgriechisch zu beginnen, war wohl auch etwas viel verlangt.
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Eingang zur ehemaligen Wirkungsstätte Pedros, dem Franziskaner-Kloster in Antigua, Guatemala.
Stattdessen trat er 1655 dem Dritten Orden der Franziskaner bei und betätigte sich als Missionar in Krankenhäusern und Gefängnissen sowie unter Arbeitslosen und Sklaven. Dabei muss er eine gewisse Berühmtheit erlangt haben, denn es flossen Spendengelder – wer weiß, woher. Mit diesen Spendengeldern eröffnete er das Krankenhaus „Unsere Frau von Bethlehem“ und später eine Schule für Arme, ein Heim für Obdachlose, eine Herberge für Priester, ein Oratorium (soviel wie eine Andachtsstätte). Bald schon genoss er den Ruf eines Wunderheilers und rief den neuen christlichen Orden der „Bethlehemiter“ ins Leben. Hat zu seinem Ruf vielleicht auch die halluzinogene Wirkung des „San Pedro Kaktusses“ beigetragen, der früher gerne von Heilern und Schamanen verwendet wurde und der noch heute seinen Namen trägt?
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Mit 41 Jahren starb San Pedro schon, ein für die Zeit nicht ungewöhnlich frühes Sterbealter, da halfen ihm offenbar auch seine Heilerqualitäten und der Kaktus nicht. Bis heute gilt Pedro als Schutzheiliger Guatemalas. Die Bethlehemiter haben in Mittelamerika Millionen von Anhängern. 2002 erst erhielt er offiziell die Heiligsprechung (Kanonisierung) durch Papst Johannes Paul II. Die Kirche am Dorfplatz von Vilaflor, erbaut ca. 1550, wurde nachträglich nach ihm benannt. Ein kleines Bethlehemiter-Kloster findet sich auch in Vilaflor, neben der Kirche. „Bruder Peter“ oder auch „Franziskus von Amerika“ ist der einzige katholische Heilige, der auf den Kanaren geboren wurde.
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Überall blüht es in Vilaflor – wenn es nicht die Mandelbäumchen sind, dann türkischer Mohn, wilde Geranien oder diese hübschen gelben Blümchen: Goldmohn (Eschscholzia californica Cham.) ursprünglich aus Kalifornien stammend.
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Beitragsbild: Jack Montgomery, mit freundl. Genehmigung, 18.07.2021.
Verwendung des PICR-Logos mit freundlicher Genehmigung durch PICR, 19.05.2024.
1357.1 Koppchen, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons, 30.06.2021. ▲
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1357.3 Torsten Kasper, mit freundl. Genehmigung, 2018. ▲