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In die Metro in Washington fährt man hinab wie von der Welt der Eloi in die Unterwelt der menschenfressenden Morlocks (H. G. Wells‘ Zeitmaschine 1895, Beitragsbild: Rolltreppen am Dupont Circle in Washington). Oder wie in einen bedrückenden Atombunker. Es ist düster und heiss – schön ist was anderes. Glücklicherweise muss ich hier nicht täglich im Berufsverkehr unterwegs sein! Jede Station sieht aus wie die andere, alles unverkleideter Beton. Wer schlecht sieht, hat in dem grünlich-funzeligen Energiesparlicht ein Problem – Taschendiebe dagegen dürften sich freuen.
Mit dem Bau des Netzes wurde erst 1969 begonnen, 1976 wurde ein erster Teil der Red Line (5 Stationen) in Betrieb genommen. Das Netz wird noch laufend erweitert. Ich kann es kaum glauben, aber viele Stationen wurden von einem renommierten Architekten gestaltet, Harry Weese aus Chicago. Die architektonische Stilrichtung nennt sich passenderweise Brutalismus. Mit „brutal“ hat der Begriff eigentlich gar nichts zu tun: „beton brût“ bedeutet „Sichtbeton“, d.h. nicht verputzt oder verblendet. Mit Schönheit haben Bauten dieser Stilrichtung, wie das Kloster „La Tourette-Arq“, allerdings auch nichts zu tun. Kein Wunder und meiner Meinung nach auch leicht zu verschmerzen, dass viele dieser Bauten aus den 50er und 60er Jahren mittlerweile gesprengt wurden.
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Sieht eher aus wie ein hässliches Parkhaus: das Kloster „Sainte-Marie de La Tourette“ heute (links). „Hubert H. Humphrey Building“ – das Hauptquartier des Departments of Health and Human Services in Washington (rechts) – beides bekannte Bauten des Brutalismus.
Das brutal unmenschliche Design der Washington Metro wurde 2007 zu Nummer 106 der 150 berühmtesten Architekturdenkmäler Amerikas gewählt („America’s Favorite Architecture“), die Liste wird vom American Institute of Architects (AIA) herausgegeben. Auch neue Metro-Stationen (derzeit die „Silver Line“) werden im Brutal-Betonstil gebaut, obwohl Herr Weese 1998 verstarb.
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Beitragsbild: Mirke, 2014.
1582.2 Links: elyullo, CC-by 2.0, 2014. Rechts: Carol M. Highsmith, Public Domain, via Wikimedia Commons, 2014. ▲