Das berühmte Hundertwasserhaus in Wien (Ecke Kegelgasse 34-38 und Löwengasse 41-43, gebaut 1983-85) ist in die Jahre gekommen. Aus Fassadenweiß wurde schmutziges, schlieriges Grau, der Bewuchs verdeckt große Teile des Gebäudes, hier und da blättert der Putz, mussten Ziegelfugen wieder geschlossen und Dehnungsfugen mit Silikon ausgebessert werden. Aus leuchtend bunt wurde dunkelbunt, wie der letzte Teil des selbstgewählten Künstlernamens. Nachträglich montierte „Beleuchtungselemente“ verraten die bunte Kunst-Architektur an die Funktionalität. Millionen Touristen aus aller Welt haben Fliesen und Steine betreten und berührt, sie wirken hier und da glatt poliert und abgenutzt.
© Bildrechte: 23114.3
Abb. 3: Beispiel für seelenloses Beton brût (italienische Poststation in Lesa).
Der international bekannte, 2000 verstorbene Künstler Friedensreich Hundertwasser alias Friedrich Stowasser (*15. Dezember 1928) hat eine Stiftung hinterlassen, welche die Deutungshoheit für sein Leben und Werk beansprucht. Es gibt weltweit Anhänger und Bewunderer. Er gilt als Pionier des ökologischen Bauens, sein Engagement für einen allumfassenden Natur- und Umweltschutz machte ihn lange vor den Grünen
Hundertwasser-Gebäude wie das in der Wiener Löwengasse verfügen über typische Merkmale: Da sind zum einen die wiederkehrenden Lego-Farben, die farbigen Nebelwolken um die Fenster, schwarze geschwungene Linien. Zum anderen die bauchigen Keramik-Säulen, die orientalisch wirkenden goldenen Kugeln, Zwiebeltürme und Minarette, einige geometrische Formen wie farbige Spitzkegel (Abb. 5), Trapeze, Dreiecke, Mosaike. Dann das Verwenden gebrauchter Ziegel, die wellenförmig vermauert wurden. Der Künstler: „Wenn einer allein träumt, ist es nur ein Traum. Wenn viele gemeinsam träumen, ist das der Anfang einer neuen Wirklichkeit“ [3]. Die architektonische Wirklichkeit ist aber auch 25 Jahre nach Hundertwassers Tod von geradlinigen, geometrischen Beton- und Glas/Stahlbauten geprägt.
Hundertwasser war und ist ohne Zweifel einer der beliebtesten Künstler des 20. Jahrhunderts. Seine Architektur zieht weltweit Menschen in ihren Bann, das Hundertwasser-Haus in Wien allein hat jährlich bis zu 300.000 touristische Besucher. Auch wenn er offensichtlich keine eigene Stilrichtung begründet hat, lässt er sich dennoch einordnen. Der Künstler selbst sprach von Transautomatismus. Er wollte die abstrakte Malerei der Nachkriegszeit überwinden, die er 1950 in Paris näher kennengelernt hatte. Ihm ging es weniger darum, die eigenen Empfindungen und das Unbewusste auf die Leinwand zu übertragen. Nun solle es (wieder) darum gehen, was der Betrachter beim Anblick der Kunst empfindet. Die Intention des Künstler ist demnach genau das, was beim Publikum ankommt [4].
Seit seinem Tod im Februar 2000 an Bord des Kreuzfahrtschiffs Queen Elizabeth 2 hat sich die gängige Architekturmeinung nicht wesentlich verändert: Gerade Linien, rechteckige Bauelemente, die Hundertwasser so verachtete, Glas & Stahl in einer Art Bauhaus 3.0 sind die Regel. Zwar lässt die moderne Architektur Wölbungen [5] und Drehungen [6] zu, auch Schachtelungen [7] und ungewöhnliche Kombinationen [8] (➥ Riesige Pilze mitten in Sevilla) – üblich sind aber immer nüchterne anonyme Großbauten, in denen der Mensch nur abstraktes, ameisenhaftes Beiwerk ist und nichts an dem ändern darf, was er nutzt und bewohnt. Das Individuelle, Bunte und Nicht-regelkonforme wird heute wie damals diskreditiert, besetzt allenfalls gewisse Architektur-Nischen.
Schon zu seinen Lebzeiten wurde Hundertwasser als „Kitschist“, „Fassadenbehübscher“ oder „Kunstkasper“ kritisiert und beleidigt, seine Architektur als „Alptraum mit Zwiebeltürmen, schiefen Säulen und gewellten Wänden“ – als eine Epidemie, Schlumpfland oder Neuschwanstein mit Zwiebeltürmchen. Einige Kollegen sprachen von „Beulenpest“ oder „Geschwür-Architecture“. Der Architekt Rob Krier aus Luxemburg bescheinigte den Hundertwasser-Bauten lediglich „Wald- und Wiesen-, wenn nicht Schrebergartenqualität“ – auch wenn sie noch so heimelig und nett anzusehen seien [9]. Der Künstler selbst sah maßvollen Kitsch als etwas Positives, das zum Leben gehöre. „Die Schrebergartenhäuser der Arbeiter“ sah er neben „gewissen Gebilden des Jugendstils“ oder z.B. den berühmten Gebäuden von Antonà Gaudi (Sagrada FamÃlia) als Beispiel für „gesunde Architekturen der
Als viel schlimmer empfand Hundertwasser die „ästhetische Konterrevolution von Adolf Loos und vom Bauhaus": die Leere, die Sauberkeit, die Kühle und die Ehrlichkeit hätten ins Nichts geführt, ins Aseptische (➥ Bauhaus im KZ). Hundertwasser: „Moderne Architekten verwechseln oft Ehrlichkeit mit Armut und Ãœppigkeit mit
© Bildrechte: 23114.4
Abb. 4: Gemälde an der Wand des Hundertwasser-Souvenirshops in Kawakawa, Neuseeland (➥ Kunstvoll pinkeln).
Hundertwasser repräsentierte einen Zeitgeist, der Lebendigkeit gegen toten Beton von Brût-Bauten (beispielhaft Abb. 3), Atommeilern und Kühltürmen setzen wollte, Buntheit an die Stelle spießiger, toter, grauer Einfarbigkeit. Langweilige Gewohnheitsnormen sollten die Menschen nicht mehr zu Ameisen machen, unkreative Vorschriften sollten gebrochen werden statt der Menschen. Nur im Einklang mit der Natur könne der Mensch glücklich werden [15].
Er glaube an Farben, sagte er einmal [16]. Dabei ist die Zahl der Farben, die Hundertwasser tatsächlich einsetzt, gering. Wir finden die Grundfarben Rot, Gelb und Blau wie im „aseptischen“ Bauhaus oder bei Piet Mondrian, dazu vielleicht etwas Violett, Braun-Beige und Schwarz als Einfassung oder Abgrenzung. Buntheit entstehe durch Sparsamkeit.
Hundertwasser war als Jugendlicher noch vom Nationalsozialismus geprägt und traumatisiert worden, hatte diesen mit seiner Mutter knapp überlebt und hasste den Faschismus: Kein Marschieren in geometrischen Blöcken, kein gleichgeschaltetes Hurra oder Heil, niemals wieder! Mit seiner bedrückenden Jugendzeit im Wien 1938-1945 setzte er sich in einigen Werken anfangs der 1960er Jahre auseinander: Blut regnet auf die Häuser (1961), Judenhaus in Österreich (1961–62), Blutgarten (1962) oder Krematorium (1963). Hundertwasser polemisierte gegen die Diktatur der geraden Linie: „Die gerade Linie ist gottlos und unmoralisch“. Und: „Die gerade Linie ist dem Menschen, dem Leben, der gesamten Schöpfung wesensfremd“ [17]. „In ihr wohnt weniger Gott und menschlicher Geist, als vielmehr die bequemheitslüsterne, gehirnlose Massenameise“ [18]. Seine diplomierten Architekturkollegen nannte er verächtlich „Linealmenschen“ [19].
In der Nachkriegszeit sind anarchistische Tendenzen spürbar. Er wollte schon in den 1950er Jahren ein Fensterrecht, das es jedem – ob Eigentümer oder Mieter – erlauben sollte, die Fassade auf Armlänge von der Öffnung frei selbst umzugestalten. Seine Kritik der Nachkriegsarchitektur nahm teilweise groteske Züge an: Die Zusammenfassung von „Fensterrassen“ in Gebäuden verglich er mit „Rassentrennung“ und forderte: „Die Apartheid der Fenster-Rassen muss aufhören.“ Die Aneinanderreihung immer gleicher Fenster in monotonen Fassaden „in den neuen Gebäuden der Satellitenstädte und in den neuen Verwaltungsgebäuden, Banken, Spitälern, Schulen“ verglich er mit dem Rastersystem der Konzentrationslager [20]. Darin sah er eine Diktatur des Gleichmachens, vor der sich der Mensch in „Alkohol und Drogensucht, Putzwahn, Fernsehabhängigkeit, unerklärliche körperliche Beschwerden, Allergien, Depressionen bis zum Selbstmord oder aber Aggression, Vandalismus und Verbrechen“ flüchte. „Ästhetische Leere, uniforme Wüste, mörderische Sterilität und schöpferische Impo
In seinem Verschimmelungsmanifest forderte Hundertwasser 1958, auf baurechtliche Auflagen – selbst solche aus Sicherheitsgründen – ganz zu verzichten. Todesopfer sollten zugunsten der kreativen Gestaltungsfreiheit in Kauf genommen werden: „Und man muss das Risiko mit in Kauf nehmen, dass so ein tolles Gebilde nachher zusammenfällt, und man soll und darf sich vor Menschenopfern nicht scheuen“ [22].
Die Wirklichkeit holte diese frühen Vorstellungen des Bauens in „Schrebergartenmanier“ ein: Das Fensterrecht als Jedermannsrecht gibt es in Hundertwassers Häusern zwar laut Mietvertrag [23] – individuelle Veränderungen – wie vom Meister propagiert – sucht man in der Realität aber vergebens. Die Stiftung führt dies darauf zurück, „dass sie [die Mieter] es nicht nötig finden, da sie in einer menschen- und naturgerechteren Architektur zu Hause sind“ [23.1]. Dann aber hätte Hundertwasser in seinem Haus genau das verhindert, was er doch programmatisch wollte: schöpferische Kreativität durch jedermann. Die Mieter wären damit sozusagen zu satten Hundertwasser-Ameisen degeneriert, um es in der provokanten Sprache des Künstlers zu formulieren. Vermutlich wären die Bauaufsicht oder die Hundertwasser-Privatstiftung auch unzufrieden, sollten Mieter z.B. ausladende Beulen „ankleben“ oder rundum Barockfenster einbauen und diese kupferfarben bemalen. Das Fensterrecht erscheint wirklichkeitsfremd, solange die Eigentumsverhältnisse so sind wie sie sind. Vermutlich hätte es Hundertwasser auch nicht sonderlich goutiert, wenn Ausstellungsbesucher nach eigenem Geschmack an seinen Gemälden „weitergemalt“ hätten, unter Berufung auf eine Erweiterung des Mitgestaltungsrechts von der Architektur auf die bildende Kunst.
Dies führt zu generellen Fragen: Soll das Haus weiter sichtlich verwittern, erodieren und „verschimmeln“, wie es der Künster für die herkömmliche Architektur wollte [24], sollen wir uns über abblätternden Putz und Moos in den Ecken freuen oder soll es immer wieder einmal in den originalen Zustand zurück-restauriert werden? Passt Denkmalschutz zu Hundertwassers Intentionen? Was soll geschehen, wenn die Tröge der Baummieter und die Terrassen undicht werden und den darunter liegenden Wohnungen Nässeschäden drohen? Darf und soll aus dem Gebäudekomplex eine bewachsene Ruine werden? Soll man den Bewuchs begrenzen oder darf das Haus irgendwann im überbordenden Grün untergehen? Einmal abgesehen davon, dass auf Balkonen oder dem Dach riesig gewordene Bäume bzw. Baummieter abbrechen, umstürzen, Menschen gefährden könnten (Abb. 1) – sollte dies im Sinne der „Naturierung“ akzeptiert werden? Die Stiftung beruhigt: Bauliche Mängel würden durch die Verwaltungsgesellschaft GESIBA stets behoben, auch evtl. Nässeschäden beseitigt und gefährdende Bäume ersetzt [24.1].
Hundertwassers Kunst lässt sich als Replique auf die brutale Gleichmacherei des NS-Regimes, des Faschismus und Stalinismus begreifen. Aber in unserer heutigen, endlos komplex gewordenen – einerseits überbürokratisierten, andererseits chaotischen – Katastrophenwelt wächst eher das Bedürfnis nach Geradlinigkeit, nach Einfachheit und vorgegebener Struktur, nach Symmetrie und Klarheit, Transparenz und Ordnung [25]. Wenn sich in der digitalen Welt schon alles im Mikrosekundentakt ändern kann, möchte man wenigstens in seinen „vier Wänden“ Geradlinigkeit und eine gewisse Beständigkeit. Dies erklärt vielleicht auch, warum Hundertwassers Projekte nur relativ wenige „Architektur-Follower“ fanden und finden. Dies erklärt vielleicht auch, warum die Hunderttausende von Besuchern seine Architektur zwar bewundern, sich aber eher an Filmkulissen, Fiktionen wie das Auenland Tolkiens oder einen Kinderroman von Astrid Lindgren erinnert sehen und sich nicht wirklich vorstellen können, dauerhaft in solch einem Gebäude zu wohnen – wobei diese Aussage von der Stiftung naturgemäß bestritten wird [25.1].
Parallelen sind nicht zufällig – entweder dem Zeitgeist geschuldet oder tatsächlich übernommen [26]. Der fantasievolle Name „Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf“ erinnert an „Friedensreich Hundertwasser Regentag Dunkelbunt“ und Hundertwassers „Regentag“ an das Schiff „Hoppetosse“ von Langstrumpfs Piratenvater Efraim Langstrumpf. Selbst Pippis Villa ist ausgesprochen ornamental und mit Erkern und Türmchen versehen, bunt – wenn auch pastellfarben (Abb. 8). Der Kritiker Gottfried Sello nannte Hundertwassers Kunstrichtung einmal treffend „Kinder- und Jugendstil“ [27].
Vieles, was Ökologen heute fordern, wollte Hundertwasser schon ab den 1950er Jahren. In seinem Text „Es gibt keine Mißstände der Natur“ (1990) resümierte er: „Der Bach, der Fluß, der Sumpf, die Aulandschaft in ihrer gottgewollten Beschaffenheit müssen uns heilig und unantastbar sein.“ Statt gegen die Natur und ausbeuterisch von der Natur zu leben, solle der Mensch mit sich und mit der äußeren Natur ins Reine kommen, sich spielerisch mit ihr versöhnen [28]. Hundertwasser kämpfte immer wieder in zahlreichen Manifesten, Briefen, Reden und bei öffentlichen Demonstrationen für seine zentralen Ideen: Eine Wiederherstellung natürlicher Kreisläufe, den Schutz des Wassers und eine abfallfreie Gesellschaft [29]. In seinen Gebäuden wurden gerne Bauabfälle recyclet, so auch im Wiener Hundertwasserhaus. Alte Ziegelsteine, Keramikscherben, Pflastersteine stammten teilweise aus Abbruchhäusern bzw. von alten Straßen [30]. Nicht nur Dächer und Terrassen wurden begrünt, jedes seiner Gebäude musste einen Garten haben, um Ruhe und Erholung für seine Bewohnerinnen und Bewohner zu bieten. Hundertwasser gilt als Erfinder der Humustoilette, die heute auf der ganzen Welt nachgebaut wird. An jedem seiner Wohnorte stattete er seine Bleibe mit Solaranlage aus. Er pflanzte eigenhändig tausende von Bäumen.
© Bildrechte: 23114.11
Abb. 11: Verwaltungsgebäude an der Müllverbrennungsanlage Spittelau (Wien) mit zwei Hundertwasser-„Lebensadern“: Keine geraden Linien?
Diese Grundgedanken sind heute aktueller denn je, auch wenn sie nicht frei von Widersprüchen waren und sind. „Romantisches Naturverständnis“ hat man Hundertwasser z.B. bescheinigt – Natur ist eben mehr als duftendes lebendiges Grün, das die Seele heilt. Hundertwasser: „Die Natur der Pflanzenwelt ist immer aufbauend. Sie ist unser Lehrmeister, sowohl im schöpferischen, als auch im ökologischen Sinn“ [31]. Einzig der Mensch sei scheinbar selbstzerstörerisch veranlagt. Aber Natur sind auch kleine und große Katastrophen, Krankheiten, Epidemien; gefährliche, giftige und lästige Pflanzen, Tiere, Insekten und Spinnen. Natur ist nicht nur Vorbild und Harmonie, sie ist nicht per se menschenfreundlich, sie kann ausgesprochen gnadenlos sein (➥ Menschheit stand kurz vor dem Aus). Von diesem unangenehmen Teil der Natur hält sich der Mensch gern fern – er muss es, um zu überleben. Wie es sich sonst entwickeln könnte, führt uns die amerikanische Fernsehserie Naked Survival in schier endlosen „Abenteuerfolgen“ vor Augen. Sicher war es kein Zufall, dass sich Hundertwasser im Alter gerade auf der Nordinsel Neuseelands bei ➥ Kawakawa ein Fleckchen Erde sicherte: Hier ist das Klima warm und mild, es gibt keine räuberischen Tiere oder giftigen Schlangen, Skorpione oder Feuerameisen (lediglich Vulkane könnten ausbrechen).
Dass sich der Künstler 1987 ausgerechnet zur Fassaden-Verschönerung einer Müllverbrennungsanlage hergab, sozusagen zum Etikettenschwindel, mag verwundern. Denn natürliche Kreislaufwirtschaft ist etwas anderes. Die Anlage in Wien-Spittelau belastet die Wiener Luft trotz moderner Rauchgasreinigungstechnik mit CO2, Feinststäuben und Abgasen – einmal ganz abgesehen von den „Ewigkeitschemikalien“ PFAS, die durch die Verbrennung zwar aufgespalten werden, dadurch aber keineswegs in einem natürlichen Kreislauf verschwinden oder ihre Gefährlichkeit einbüßen [32]. Auch über den Erfolg der „Hundertwasser-Behübschung“ kann man in Spittelau geteilter Meinung sein (Abb. 11, ➥ Behübschter Müll).
Die Grundgedanken des ökologischen Bauens sind heute genauso gültig wie vor 40 Jahren. Die menschengerechtere Anpassung unserer Städte ist dringender denn je. Aber obwohl die Klimakatastrophe begonnen hat und wir im Sommer regelmäßig bei 30 bis 40 Grad schwitzen, finden wir wenige Dach-Begrünungen und kaum Solaranlagen – dafür viele kahle, gepflasterte Plätze ohne jeglichen Alibi-Baum oder -Strauch wie den Alten Markt am Schloss in Potsdam oder die Umgebung des neuen Humboldt-Forums in Berlin. Neue Hausfassaden oder Dächer werden vielerorts anthrazit gefärbt, die Innenräume dann im Sommer folgerichtig durch energielastige Klimaanlagen gekühlt – wenn man Glück hat. Statt bunter Fliesen und Möbel schreibt die aktuelle Mode dem Innenarchitekten hässliches Beige-Grau vor (Abb. 12), unterschieden nur in Nuancen.
Heute wird im Zusammenhang mit steigenden CO2-Werten und immer zahlreicheren Ãœberschwemmungen und riesigen Waldbränden als Folge der Klimakatastrophe endlich die Renaturierung von Sümpfen und Flusslandschaften gefordert, doch noch immer gibt es viele Menschen, denen Artensterben und Klima egal sind. Das Katastrophen-Gedächtnis des Menschen ist kurz, wenn er nicht direkt betroffen war. Dazu Hundertwasser: „Wir leben in einer phlegmatischen Zeit sowohl politisch als auch kulturell und architektonisch. In der Politik hat man sich mit Erfolg gegen Faschismus und Kommunismus gewehrt. Diese Diktaturen sind zusammengebrochen. In der Architektur besteht die Diktatur weiter“ [33]. Hoffen wir, dass die gegenwärtige Anthrazit/Braun-Diktatur hässlicher Glas-Stahl-Monster kein Vorbote künftiger politischer Systeme ist.
136 Aufrufe – LDS: 02.12.24
(AT) Angelika Taschen (Redaktion): Für ein natur- und menschengerechteres Bauen. Hundertwasser Architektur. ISBN: 3-8228-9594-0.
(WS) Wieland Schmied: Hundertwasser 1928 – 2000. Persönlichkeit, Leben, Werk. ISBN-10: 3-8289-0817-0.
[1] kabinett-online.de: Hundertwasser: Künstler und Pionier der Nachhaltigkeit. Er ist mittlerweile ein Fall für Ausstellungen, Retrospektiven und Erinnerungen (kunsthalle-hannover.de: Hundertwasser … Architektur und Projekte in Deutschland – Fotografie, Video, Reproduktion und Dokumentationsmaterial). ▲
[2] Joram Harel vom Vorstand der Hundertwasserstiftung dazu: Hundertwasser sei immer der Meinung gewesen, jeder Mensch müsse seine eigenen Träume verwirklichen und sich kein fremdes geistiges Eigentum aneignen. – Dies widerspricht natürlich dem Gedanken einer „Hundertwasser-Schule“.
Vgl. auch Hundertwassers verschollenes Millionenerbe, insbesondere das abgebildete Dokument „Ermittlung des Unternehmenswertes“, Punkt 4.1 „Gewinnerwartung“. ▲
[3] zitate7.de: Friedensreich Hundertwasser — Zitate. ▲
[4] wikipedia.org: Transautomatismus. ▲
[5] Beispiel: Berliner Hauptbahnhof des Architekten Meinhard von Gerkan (➥ Katastrophe „Deutsche Bahn“ – Verspätung für Verkehrswende). ▲
[6] Beispiele: Turning Torso in Malmö, des spanischen Architekten Santiago Calatrava; der Cayan Tower in Dubai, Palma Real Estate entwickelte das von Skidmore, Owings and Merrill entworfene Bauwerk. ▲
[7] Beispiel: Berliner CDU-Parteizentrale (Konrad-Adenauer-Haus). Entworfen hat das Gebäude das Düsseldorfer Architekturbüro Petzinka, Pink und Partner. Bauherr war Klaus Groth. ▲
[8] Beispiel: Sony-Center am Potsdamer Platz (Berlin), gestaltet durch den Architekten Helmut Jahn. ▲
[9] Zitiert nach: architekten-scout.de: Friedensreich Hundertwasser: Ein genialer und zugleich umstrittener Architekt. ▲
[10] Verschimmelungsmanifest, S. 5. ▲
[11] Der Wiener Journalist, Architekt und Kinderschänder Adolf Loos war entschiedener Gegner des Jugendstils und sah Ornamente als überflüssig und eine Verschwendung von Arbeitszeit an – wikipedia: Adolf Loos, Strafverfahren gegen Adolf Loos wegen Schändung und Verführung zur Unzucht. ▲
[12] welt.de: Kommt Ihre Kunst ohne Lüge nicht aus, Herr Hundertwasser? ▲
[13] (AT), S. 38. ▲
[14] (AT), S. 48. ▲
[15] hundertwasser.com: Ökologie. ▲
[16] welt.de: Kommt Ihre Kunst ohne Lüge nicht aus, Herr Hundertwasser? ▲
[17] zitate7.de: Friedensreich Hundertwasser — Zitate. ▲
[18] architekten-scout.com: Friedensreich Hundertwasser: Ein genialer und zugleich umstrittener Architekt. ▲
[19] Verschimmelungsmanifest, S. 1. ▲
[20] Fensterrecht. ▲
[21] Fensterrecht – zitiert mit nicht gekennzeichneten Weglassungen. Ferner hundertwasser-haus.info: Das Hundertwasserhaus. ▲
[22] Verschimmelungsmanifest, S. 1. Weiter heißt es dort lapidar: „Wenn so ein von den Bewohnern selbstgebautes, tolles Gebilde zusammenfällt, so kracht es ja meistens ohnehin vorher, so daß man flüchten kann. Der Mieter wird jedoch von da an kritischer und schöpferischer den Gehäusen gegenüberstehen, die er bewohnt, und wird mit den eigenen Händen die Wände und Pfeiler verdicken, falls sie ihm zu zerbrechlich scheinen“. ▲
[23] (AT), S. 271. ▲
[23.1] A.C. Fürst in einer E-Mail vom 26. November 2024. ▲
[24] (AT), S. 44. ▲
[24.1] A.C. Fürst in einer E-Mail vom 26. November 2024. ▲
[25] Lars Penke, Professor an der Universität Göttingen, untersuchte, wie kulturelle Prägung und subjektive Eindrücke die Definition von Schönheit beeinflussen. Danach gelten perfekte Symmetrie und bestimmte Proportionen (siehe Goldener Schnitt) universell als attraktiv. Bei Hundertwassers Architektur findet sich meist weder das eine noch das andere. ▲
[25.1] „Wiener Wohnen hatte immer lange Listen von Bewerbern um eine Wohnung im Hundertwasser Haus. Alle Bewohner von Hundertwasser Bauten sind unendlich stolz, in einem Hundertwasser Haus zu wohnen“ – A.C. Fürst in einer E-Mail vom 26. November 2024. ▲
[26] (AT), S. 7: „Hundertwassers Architekturträume sind von den Kinderbüchern inspiriert, die er in seiner Jugend gelesen hat, […]“. ▲
[27] hundertwasser.at: Zu Hundertwassers Malerei – Wieland Schmied: Eigenart und Bedeutung der Malerei Hundertwassers. ▲
[28] Es gibt keine Missstände der Natur. ▲
[29] kabinett-online.de: Hundertwasser: Künstler und Pionier der Nachhaltigkeit. ▲
[30] hundertwasser-haus.info: Der Ziegelbau. „Es wurden drei verschiedene Ziegeltypen verwendet: für die verputzten Mauern außen und innen Hohlziegel und neue Vollziegel; für die sichtbar bleibenden Ziegelmauern der Dachterrassen alte Vollziegel mit dem Kaiserwappen aus Abbruchhäusern. ▲
[31] (AT), S. 36. ▲
[32] wikipedia.org: Müllverbrennungsanlage Spittelau. ▲
[33] zitate7.de: Friedensreich Hundertwasser — Zitate. ▲
Beitragsbild: Mirke 12.10.2024.
23114.3 ©Hans G. Oberlack, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons. Bearb. von Mirke, 4.11.2024. ▲
23114.8 Christian Koehn (Fragwürdig), CC BY-SA 2.0 DE, via Wikimedia Commons, 7.11.2024. ▲