Es ist schon ein bitterer, zynischer Treppenwitz der Menschheitsgeschichte, dass durch oberirdische Atombomben- und Wasserstoffbombenversuche der USA, Frankreichs und Englands ausgerechnet die Pazifikregion großflächig und nachhaltig radioaktiv verseucht wurde, die wie keine andere ganzen Generationen eine Projektionsfläche für Fernweh, Natursehnsucht und Naturschönheit war und ist. Der Zynismus prägte eine ganze Forscher- und Politikergeneration. Die erfolgreiche Explosion der ersten Wasserstoffbombe im Pazifik wurde mit den verschlüsselten Worten übermittelt: „It’s a boy“. Das berichten noch immer die gealterten Pioniere mit einem Schmunzeln im Gesicht. Ausgerechnet das Wunder entstehenden Lebens, die Geburt eines Menschen, musste als Metapher für eine ungeheure, alles zerstörende Waffe herhalten, noch dazu vermengt mit Sexismus: Ein Fehlschlag wäre als „It’s a girl“ codiert worden.
Noch heute leiden Mensch und Natur unter den Strahlungsfolgen, die letzten Bomben wurden in der Region in den 90er Jahren gezündet. In der oberen Atmosphäre schwirren heute strahlende Isotope herum, die langsam nach unten wandern und die sogenannte „natürliche Radioaktivität“ verstärken [1]. Daher ist es heute Unsinn, von „natürlicher Radioaktivität“ zu sprechen, denn diese ist zum Teil menschengemacht.
Australien machte keine Ausnahme. In der Maralinga-Wüste wurden von 1955 bis 1963 sieben große Atomwaffenversuche und hunderte kleinerer Tests durchgeführt. Hierbei wurden 22 Kilogramm Plutonium freigesetzt, das schon in wenigen Tausendstel Gramm tödlich ist. Einige Plutonium-Isotope strahlen für tausende von Jahren, auch die resultierenden Zerfallsprodukte sind radioaktiv strahlende Elemente. Betroffen von den Folgen sind bis heute Militärangehörige und Angehörige der dort beheimateten Aborigines. Melbourne wurde durch Fallout verseucht. Auf dem ehemaligen Testgelände ist jetzt ein Touristen-Resort geplant – gute Erholung …
Vgl. auch ➥ Alpha, Beta, Gamma
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Die mehr als 2.000 Atomwaffenversuche seit 1945 in einer grafisch und akustisch anschaulich aufbereiteten Zeitraffer-Darstellung bei Youtube.
Neuseeland war immer gegen Atombombenversuche, nicht nur in der Pazifikregion und hat sich auch bewußt gegen die zivile Nutzung der Atomenergie zur Stromgewinnung ausgesprochen (➥ Strom aus Wärme). In einer Ecke des Museums „Te Papa“ in Wellington wird die pazifische atomare Leidensgeschichte dokumentiert:
Die pazifischen Völker litten darunter sehr. Viele Menschen wurden aus den Testgebieten evakuiert, manchmal für Jahrzehnte. Strahlung vergiftete die Nahrungsquellen und machte einige Inseln unbewohnbar. Die Bewohner der Marshall Inseln erlitten schwere Verletzungen von radioaktivem Fallout, der wie Schnee vom Himmel fiel. Das Mururoa-Atoll versank um mehrere Meter und auch andere Korallen-Ökosysteme wurden zerstört.
Der Gedanke einer Strahlenverseuchung des Pazifik erschreckte viele Neuseeländer. Öffentliche Proteste erhielten zunehmend politische Unterstützung. In den 70er Jahren war Neuseeland die führende Kraft gegen Nukleartests in der Region, 1987 wurde ein Anti-Atomgesetz verabschiedet.“
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„Wir sind eine kleine Nation, aber wir werden vor Ungerechtigkeit nicht kleinmütig kapitulieren. Wir haben gegen die Entwicklung nuklearer Waffen gearbeitet. Wir sind gegen Atomwaffenversuche immer und überall.“
Während in der Südsee die Bomben hochgingen, wurden wir Europäer im Kalten Krieg traumatisiert. Die Bedrohung, innerhalb weniger Minuten einem atomaren Erst- oder Zweitschlag zum Opfer zu fallen, verfolgte uns bis in die Träume. Diese Lage drückt treffend das folgende Gedicht von Eva Acél aus.
apokalypse III
bei der vorstellung
morgen kommt der tag x
packt mich eine lähmende ohnmacht
meine gedanken haken aus
ich irre innerlich umher
schreiende arme an mir
fühle meinen herzstillstand
kann nichts mehr begreifen um mich herum
und dann
…
bewahre nichts mehr auf für nachher
nur meine angst
denn irgendwann
irgendwann
wenn sie die sonne heruntergeholt haben
mit lichtblitzen von neutronen
irgendwann
werden unsere enkelkinder in lichtloser apokalypse
wie kleine wolfshunde hocken
neben den gerippen ihrer eltern
heulend
weil
sie das weinen verlernt haben
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Auszug aus dem Lyrikband „Nur manchmal ist es ganz anders“ von Eva Acél (†2022), erschienen Hamburg 1982 im Eigenverlag.
935 Aufrufe – LDS: 18.06.2024
[1] Welt: Atomtest-Radioaktivität schwebt noch in Atmosphäre, BdW: Radioaktives Erbe ▲
Beitragsbild: Hairy Dude this file Furfurdata source: Oklahoma Geological Survey Nuclear Explosion Catalog, CC BY-SA 2.5, via Wikimedia Commons, 14.06.2021.
Verwendung des PICR-Logos mit freundlicher Genehmigung durch PICR, 19.05.2024.
690.1 Aaron aus Bielefeld, Youtube-Terms, 14.06.2021. ▲
690.2 Mirke, 2012. Mit freundl. Genehmigung durch Te Papa. ▲