
Hochzeit der Ozeane


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Links: Blick auf den Leuchtturm aus der Entfernung, rechts: Ein gut befestigter Weg führt zum Aussichtspunkt.
Ein Kleinbus bringt uns von der Wiese, auf der unser Airvan gelandet ist, zu einem Parkplatz in der Nähe von Cape Reinga (Te Rerenga Wairua). 10 Minuten zu Fuß ist es von hier zum Leuchtturm, der die nördlichste Stelle Neuseelands markiert. Der leuchtend weiße Turm wurde erst im Mai 1941 in Betrieb genommen, als letzter Leuchtturm Neuseelands (Beitragsbild). Er ersetzte den Leuchtturm von 1879 auf der benachbarten Insel Motuopao. Alle 12 Sekunden sendet er mit seiner 50 Watt-Energiesparlampe, die solar gespeist wird, einen Impuls aus, der noch in einer Entfernung von 35 Kilometern zu sehen ist. Die ungewöhnliche Reichweite liegt auch daran, dass der Turm 165 Meter über dem Meeresspiegel steht. Einen einsamen Leuchtturmwärter sucht man hier übrigens seit 1987 vergebens, der Turm wird computergesteuert von Wellington aus überwacht.
Gerne wird an eine Anekdote betreffend T.W. Ratana erinnert, den Gründer der Ratana-Sekte. Dieser habe bei einer Pilgerreise zur nördlichsten Stelle Neuseelands 1928 geweissagt, dass von dieser Stelle eines Tages ein großes Licht in die Welt hinausstrahlen werde. Der Leuchtturm wird nun gerne – mit einiger Ironie – als Vollzug dieser Prophezeiung interpretiert; immerhin besichtigen ihn jedes Jahr viele tausende Touristen.
Tahupotiki Wiremu Ratana (T. W. Ratana) hatte im Jahr 1918 angeblich eine Vision, in der er von Gott aufgefordert wurde, den Maori das Evangelium näher zu bringen. Bis 1924 predigte Ratana vor immer mehr Zuhörern und bezeichnete sich selbst als „Maori Miracle Man“ (Wundermann der Maori). Bald entfernte sich die neue christliche Bewegung von den damals bestehenden Kirchen. Am 31. Mai 1925 wurde die Te Haahi Ratana-Kirche offiziell gegründet und sein Gründer als Te Mangai oder „Sprachrohr Gottes“, also quasi als Ratana-Papst inthronisiert.

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Von links rollen die Wellen der Tasman-See heran, von rechts die des Pazifischen Ozeans. Wo sie sich treffen, brechen sie übereinander, es bildet sich eine kilometerlange weiße Naht von Cape Reinga nach Norden. Hier vereinigen sich die beiden Ozeane, die durch das Festland Neuseelands getrennt werden, die Naht sieht aus wie ein Reißverschluss. Nach dem Glauben der Maori wandern an dieser Stelle die Seelen Verstorbener in die Unterwelt. Sie steigen über die Wurzeln eines einzelnen alten Pohutukawa-Baumes, des Kahika, hinab bis zum Meer und treten dann die Heimreise ins legendäre Hawaiki an, von wo aus die Maori einst kamen. Anders als andere Pohutukawa-Bäume hat man diesen Baum hier niemals blühen sehen.
Der Nordzipfel Neuseelands steht im Maori-Glauben aber nicht nur für die Heimreise der Seelen. Es ist der Punkt, an dem sich die männliche See „Te Moana Tapokopoko a Tawhaki“ mit der weiblichen See „Te Tai o Whitireala“ vermählt. Die kilometerweit sichtbare „Nahtlinie“ der Gischt ist der Ort, an dem sich beide Ozeane vereinigen und wo neues Leben entsteht.
Beitragsbild: Mirke, 2012.