Greift Belarus an?


Berlin, 30. Juni 2024. An der Grenze zur Ukraine stationiert Weißrussland zusätzliche Truppen und Raketenwerfer [1]. Die Raketen haben eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern und könnten damit Kiew und Lwiw erreichen, die nördliche Hälfte der Ukraine unter Beschuss nehmen. Putin hatte – passend dazu – am 28. Juni angekündigt, aus dem INF-Vertrag mit den USA endgültig auszusteigen und Raketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometern zu produzieren [2]. Der INF-Vertrag galt als Meilenstein der Rüstungskontrolle. Er war 1988 vom sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow und US-Präsident Ronald Reagan unterzeichnet worden.

Parallel dazu veranstaltete Belarus Ende August an der Grenze zur Ukraine „Militärübungen“ – das passt ins Bild einer Angriffsvorbereitung. Zumindest demonstriert Lukaschenko damit seine Solidarität mit Putin und bindet ukrainische Truppen [3]. Putin hatte schon im Juni mit einer „asymmetrischen Antwort“ gedroht [4], falls russisches Staatsgebiet von der Ukraine mit Hilfe westlicher Waffen angegriffen würde. Dies ist ab dem 6. August geschehen [5]. Unter einer asymmetrischen Antwort kann alles mögliche verstanden werden, auch Cyberkrieg, Brandanschläge wie am 3. Mai auf die Firma Diehl in Berlin, Sabotage wie bei „abnormen Wasserwerten“ am 14. August 2024 an der Bundeswehrkaserne Köln-Wahn oder Attentate auf ausländische Kritiker und Politiker. Selbst der Einsatz von Atomwaffen wäre eine drastische und extreme Form der asymmetrischen Antwort. Für den Fall einer Niederlage hat Putin jedenfalls angeblich schon einen Fluchtplan ausarbeiten lassen („Arche Noah“), er will sich nach Venezuela oder China absetzen [6]

Wenn wir keine weitere Eskalation und nicht sämtliche Bemühungen zur Rüstungskontrolle abschreiben wollen, müssen wir die UNO stärken. Die UNO hatte sich nach dem 2. Weltkrieg explizit dem Erhalt des Friedens und der Rüstungsbegrenzung verpflichtet. Wir brauchen eine Initiative mit folgenden Eckdaten:

  • Erneuerung der Verpflichtung zum Gewaltverzicht durch alle Mitglieder.
  • Sichere und unabhängige Finanzierung.
  • Ent-Blockierung des Sicherheitsrats durch Einschränkung des Vetorechts.
  • Ständige Bereitschaft von UNO-Truppen (peace-keeping, peace-enforcement)

Lesen Sie dazu den Beitrag ➥ UNO – Teil I: Lehren aus dem Ukraine-Krieg. Die UNO hätte die Möglichkeiten, den Ukraine-Krieg kurzfristig zu beenden: ➥ Ukraine: 8 Stufen zum Frieden.

47 Aufrufe – LDS: 01.09.2024

Literatur & Medien

(CH) Die Charta der Vereinten Nationen und das Statut des Internationalen Gerichtshofs. ISBN: 3-15-009801-7.

Fußnoten

[1] n-tv.de: Lukaschenko verstärkt Truppen – Belarus positioniert Mehrfachraketenwerfer an Ukraine-Grenze

[2] n-tv.de: Russland müsse „reagieren“ – Putin will ehemals verbotene Raketen produzieren

[3] Experten halten einen Truppenangriff durch Belarus derzeit für unwahrscheinlich. Die Grenze ist unwegsam und durch die Ukraine stark befestigt. Natürlich ändert das nichts an der Möglichkeit wachsender Raktenangriffe. n-tv.de: Provokation an Grenze zu Ukraine – Was einen Einmarsch von Belarus unwahrscheinlich macht

[4] n-tv.de: Das war Mittwoch, der 5. Juni 2024

[5] Der Angriff auf russisches Territorium ist völkerrechtlich problematisch. Unabhängig von den völkerrechtlichen Verbrechen Russlands hat auch die Ukraine Grenzen beim „naturgegebenen Recht zur kollektiven Selbstverteidigung“ zu beachten. Die Charta der Vereinten Nationen begrenzt dieses Recht. Dazu zählt eigentlich eine Befristung der Selbstverteidigung „bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat“. Der Sicherheitsrat wird freilich durch Russland und China blockiert. Ferner müssten militärische Maßnahmen eigentlich dem Sicherheitsrat „sofort“ angezeigt werden. Als Mitglied der UNO wäre auch die angegriffene Ukraine verpflichtet, zur „Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ aktiv zu werden – Artikel 51, (CH), S. 28 ff. 

[6] newsweek.com: Putin Has Escape Plan to Venezuela if Russia Loses War: Former Speechwriter

Beitragsbild: Luaks Johnns @ Pixabay, 2024.