Erlabronn, 30. September 2024. Urlaub in Franken: Was deutlich in Erinnerung bleibt, sind vor allem Straßensperrungen. Innerorts und außerhalb. Klar, Bauarbeiten müssen sein. Vielleicht sind sie ein Zeichen, dass sich was tut: Unser Straßennetz ist marode und Bayern verfügt über das längste Netz an Autobahnen, Bundesstraßen und
Wie die Menschen damit klarkommen, ist doch deren Problem. Ob Touristen die Orientierung verlieren oder Termine nicht halten können, viel Zeit und Benzin verschwenden, gilt als Luxusproblem. Nicht-Touristen müssen tägliche Staus und Umfahrungen hinnehmen, die viel mehr Zeit und Nerven und entsprechend Energie und Geld kosten. Im Falle von Handwerkern findet man den Zeitverlust als erhöhte Anfahrtskosten auf der Rechnung (auch so steigert man das Bruttosozialprodukt, allerdings unproduktiv). Regelmäßig sehen sich 80% der Unternehmen „durch Infrastrukturmängel in ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigt“ [1.2]. Sperrungen und Umleitungen verschärfen das Problem. 2002 summierten sich jährliche Staus auf 321.000 Kilometer, 2018 waren es schon 1.528.000 Kilomenter [1.3].
Auch die einzelnen Baustellen auf den Autobahnen werden immer länger. Früher waren es mal hier drei Kilometer und dort fünf. Heute fährt man gleich mal 25 Kilometer lang auf verengten Fahrstreifen mit Tempo 80. In Deutschland summierten sich die Baustellen 2023 auf 2.172 Kilometer
Den verantwortlichen Behörden sind die Nachteile für die Menschen anscheinend ziemlich gleichgültig. Wahrscheinlich gibt es Versicherungs- und Haftungsgründe? Die Vollsperrung ist betriebswirtschaftlich kostengünstiger als der Ampelbetrieb? Es ist billiger, gleich 25 Kilometer Autobahn am Stück stillzulegen? Hinzu kommt, was man immer wieder beklagen kann: monatelang wird abgesperrt, aber tagelang ist niemand zu sehen. Manche Baustellen wie die Leipziger Straße in der Berliner Innenstadt werden zur Dauereinrichtung, die über Jahre bestehen bleiben, ohne dass sich ein erkennbarer Fortschritt einstellt. Selten sieht man dort Bauarbeiter. In der Zwischenzeit ändern sich die Mehrheitsverhältnisse im Senat und was eben noch opportun war, wird nun wieder zurückgebaut. Auf dass es nie endet.
Dass es auch anders geht, machen die Holländer vor. Dort ist es mit Hilfe des Omgevingswet-Gesetzes (Umwelt- und Planungsgesetzes) 2024 gelungen, das Bau- und Planungsrecht entscheidend zu entschlacken
In Holland setzt man bei der Straßensanierung z.B. auf modulare Bauweise: das bringt schnellere Bauzeiten, höhere Qualität, Flexibilität und Nachhaltigkeit. Straßen oder Brücken werden aus vorgefertigten Modulen oder Segmenten schnell zusammengesetzt. Diese Module werden in einer Fabrik hergestellt und dann zur Baustelle transportiert, wo sie effizient zusammengefügt werden können. Man experimentiert in Rotterdam sogar mit Asphalt-Platten aus recyceltem
Auch Japan ist übrigens vorbildlich im Straßenbau, wie ein Video zeigt: Arbeit in Japan. Innerhalb von nur 48 Stunden wird hier eine neue Straßenunterführung fertig gestellt.
Passend zum Thema heute die Klage, dass der deutsche Wirtschaftsklima-Index den 4. Monat in Folge zurückgeht
Welche Alternativen gibt es denn für Unternehmen, die Mitarbeiter suchen und Rohstoffe und Zuliefererprodukte benötigen? Die ihre Waren an die Menschen bringen müssen? Keine. Die Bahn legt Hauptstrecken lahm, um sie zu sanieren. Die Binnenschifffahrt funktioniert nicht mehr. Selbst Fluglinien werden komplett eingestellt
Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) hat errechnet, dass bis 2030 372 Milliarden € in Straßen, Brücken und Schienen investiert werden müssten
56 Aufrufe – LDS: 05.10.2024
(PBUB) Philip Banse, Ulf Buermeyer: Baustellen der Nation. Was wir jetzt in Deutschland ändern müssen. ISBN: 978-3-550-20241-4.
[1] de.statista.com: Länge der Autobahnen in Deutschland von 1995 bis 2023. ▲
[1.1] welt.de: Abbruchkosten an Dresdner Carolabrücke in Millionenhöhe. Rahmede: ‚„Insgesamt ist bei einer neuen Brücke von Kosten in Höhe von etwa 80 Millionen Euro auszugehen“, sagte Autobahn-Sprecher Löchter. 2014 waren für den Brücken-Neubau noch 43 Millionen Euro kalkuliert‘ – come-on.de: A45-Sperrung: Erste Kostenschätzung für die neue Talbrücke Rahmede. ▲
[1.2] Nach einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) von Sommer 2022, zitiert nach (PBUB), S. 22. ▲
[1.3] Zahlen des Wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsminiteriums, nach (PBUB), S. 23. ▲
[2] autobahn.de: Alle Baustellen und Sperrungen auf einen Blick. ▲
[3] de.statista.com: Statistiken zu Straßen in Deutschland. ▲
[4] nl.wikipedia.org: Omgevingswet: Den Niederlanden ist es gelungen, die Gesetzgebung im Umwelt- und Planungsrecht erheblich zu vereinfachen. Hunderte von Normen wurden zusammengefasst. Das Gesetz bedeutet eine erhebliche Reduzierung von Vorschriften in den Bereichen Wasser, Luft, Boden, Natur, Infrastruktur, Gebäude und Kulturerbe. Das Gesetz trat am 1. Januar 2024 in Kraft. ▲
[5] aurelis.de: Planungsrecht – in den Niederlanden ist erst mal alles möglich, heuboe.de: SPIN – Baustellenmanagementsystem von Rijkswaterstaat. ▲
[6] wikipedia.org: Liste der technischen Regelwerke für das Straßenwesen in Deutschland. ▲
[6.1] (PBUB), S. 12. ▲
[7] globalmagazin.eu: Rotterdam erprobt Straßen aus Recycling-Plastik, ingenieur.de: Recycling-Kunststoff-Module: Ein Meilenstein im Straßenbau, Zur Problematik des entstehenden Mikrokunststoffs – zeit.de: Können Straßen aus Plastik unser Entsorgungsproblem lösen? ▲
[8] dachist.org: A2 in den Niederlanden gesperrt: So meistern Sie das Verkehrschaos, anwb.nl: Verkeersinformatie: files, flitsers, wegwerkzaamheden. ▲
[9] german.investholland.com: Die überragende Logistik- und Technologie-Infrastruktur der Niederlande, de.intercompanysolutions.com: Laut dem Weltwirtschaftsforum liegt die physische Infrastruktur der Niederlande weltweit an dritter Stelle. ▲
[10] wiwo.de: Ifo-Index sinkt erneut – „Die deutsche Wirtschaft gerät immer stärker unter Druck“, de.statista.com: Entwicklung des ifo-Geschäftsklimaindex von September 2022 bis September 2024. Der Index liegt derzeit aber noch höher als etwa 2005 oder 2009 (Bankenkrise). Laut Prognose der führenden Wirtschaftsinstitute (Gemeinschaftsdiagnose) soll das BIP im Jahr 2024 um 0,1 Prozent schrumpfen, damit befände sich Deutschland in einer leichten Rezession – de.statista.com: Prognosen zur Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland für die Jahre von 2024 bis 2026. ▲
[10.2] n-tv.de: „Nationale Alleingänge“ – Lufthansa-Chef sieht Deutschland im Luftfahrt-Niedergang. ▲
[11] zdf.de: Schienen, Straßen, Brücken – Studie: 372 Milliarden für Verkehrsnetz nötig, n-tv.de: 4500 marode Bauwerke – Sanierung von Straßen und Brücken verschlingt weitere Milliarden, faz.net: Straßenreparaturen – 10 Milliarden Euro und trotzdem keine freie Fahrt. Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) und das wirtschaftsliberale Institut der deutschen Wirtschaft (IW) schätzten 2020 die notwendigen Infrastruktur-Investitionen sogar schon auf 457 Milliarden € – (PBUB), S. 17. ▲
[12] n-tv.de: Vom 15. Dezember an – Deutsche Bahn erhöht im Fernverkehr ihrer Preise. ▲
Beitragsbild: tz.de, @LHM, 30.09.2024. Baustellen in München 2023. Verwendung nach §§50-52 UrhG.
szsd.1 animaflora @iStock, Standardlizenz 2100072973, 01.10.2024. ▲
szsd.2 Philipp @3dwarehouse.sketchup.com, bearb. durch Mirke, 01.10.2024. ▲
szsd.3 Ausriss der Liste der technischen Regelwerke für das Straßenwesen in Deutschland, bearb. durch Mirke, 05.10.2024. ▲